02.09.2023
Die Exkursion wurde von Adrian Oettli und Philipp Sauter organisiert.
Für einmal traten die Mitglieder des Historischen Vereins die Exkursion mit dem Zug an. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es eine gemütliche Reise, auf der sie mit verschiedenen Mitreisenden ins Gespräch kamen. Den beiden Organisatoren Adrian Oettli und Philipp Sauter verlangte die Fahrt dagegen einiges an Nerven ab. Nicht nur, dass bis Biel nicht die ganze Reisegruppe gemeinsam reiste, sondern auch das Umsteigen war zu meistern, ohne dass jemand verloren ging. Schliesslich kamen alle in Biel an, wo es nach einem Spaziergang im Restaurant Joran am See Kaffee und Gipfeli gab. Wem dieser Ort bekannt vorkam – es ist ein Gebäude der Expo 02.
Mit etwas Verspätung traf Stadtwanderer Benedikt Loderer ein und begann sofort, noch ausser Atem, mit einem abgekürzten Rundgang. Im Hafen machte er den Anwesenden die Petersinsel als lohnendes Schwiegermutter-Ausflugsziel schmackhaft, da mit Schifffahrt, gutem Essen und einem Glas Chasselas alle glücklich würden. Der Blick der Vereinsmitglieder schweifte vom See an die Jurahöhen, wo die Autobahn A5 das Panorama dominiert. Sichtlich stolz verkündete Loderer, dass es in Biel ein Loch im schweizerischen Autobahnnetz gebe, da der Bau des quer durch die Stadt führenden Westastes durch die Opposition aus dem Volk gestoppt wurde. Nun bleibe nur noch die typisch schweizerische Lösung bei Problemen, das Vergraben.
Der Rundgang führte zu einem grossen, unbebauten Areal. «Bauerwartungsland» meinte Herr Loderer. Das ehemalige Expo-Gelände ist heute eingezäunt und wartet darauf, was weiter mit ihm geschehen wird. Es gehört der Stadt Biel, die das Gelände für die Expo gekauft hatte, liegt jedoch in der Gemeinde Nidau. Nachdem in den vergangenen Jahren Biel und Nidau sich gegenseitig mit unkoordinierten Überbauungsplänen in die Parade fuhren, wartet das Bauerwartungsland, an dem Ort, an dem einst Pfahlbauer lebten und später Telefonstangen hergestellt wurden, noch immer auf seine Bebauung.
Charmant lotste Benedikt Loderer die Vereinsmitglieder jeweils zur nächsten Station, konnte Interessantes zur Siedlungsentwicklung berichten und erwies dabei dem bilingualen Biel/Bienne alle Ehre. In den Anfangsjahren des Bundesstaates rauften sich die Kantone Bern, Neuenburg, Fribourg, Solothurn und Waadt zusammen und holten erstmals beim Bund Geld ab, um die Seen mit einem Kanalsystem zu verbinden. In diesem Zusammenhang wurde der Seespiegel des Bielersees um zwei Meter abgesenkt und das von den Grafen von Neuenburg erbaute Wasserschloss Nidau sass fortan auf dem Trockenen. Unweit des Bahnhofs steht eine ehemalige Fabrik, in der heute ein Shoppingcenter mit Parkhaus untergebracht ist. Laut Loderer einer der Orte, wo Kaufkraft abgeschöpft werde. Wer das mit der Kaufkraftabschöpfung verstanden habe, habe die Stadtplanung verstanden. Denn diese kümmere sich darum, wie die Autos in die Silos kämen, damit die Menschen einkaufen gehen könnten.
Im Bahnhof Biel, der zweimal umgezogen war, bis er am heutigen, dritten Standort steht, führte Benedikt Loderer die Thurgauer Reisegruppe in den Wartesaal, der mit Bildern von Philipp Robert ausgemalt ist. Sie tragen die Titel «Lebensstufen», «die Jahreszeiten», «der Stundentanz» sowie «Zeit und Ewigkeit» und liessen die Vereinsmitglieder andächtig in die Höhe blicken mit Gedanken zu den Bildern, der eigenen Lebenszeit, der Ewigkeit, … Dies können noch heute alle Reisenden tun, denn die unter Denkmalschutz gestellten Bilder kamen weder im Konzept «Bar» noch in einem Laden zur Geltung, sodass die SBB schliesslich entschied, dass der Wartesaal Wartesaal bleiben dürfe.
Die Stadtwanderung, auf der Benedikt Loderer die Vereinsmitglieder «von hinten» an Biel herangeführt hatte, endete am Guisanplatz mit dem Blick auf das «arbeitslose Tramhäuschen». Denn das Tram wurde in Biel 1946 abgeschafft. Danach spazierte die Gruppe zur Villa Lindenegg, die in einem wildromantischen Park etwas erhöht über der Stadt liegt und wo die historische Reiseschar mit einem feinen Zmittag verwöhnt wurde.
Nach der Mittagspause musste sich die Gruppe vom schattigen Plätzchen mit traumhaftem Garten losreissen und sich zum neuen Museum Biel begeben. Dort angekommen, wurde die grosse Schar in zwei handliche Gruppen aufgeteilt. Die Gruppen wurden separat durch die Ausstellungen geführt und bei Halbzeit Gruppenführerinnen und Ausstellungsräume getauscht.
Bernadette Fülscher führte durch die Räumlichkeiten des ehemaligen Museums Schwab. Bereits der imposante Bau vermochte das Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu wecken. Die Ausstellung «Garten Eden und die Zukunftsstadt» war noch nicht eröffnet und so kam der Historische Verein in den Genuss einer Vorabführung, die umso interessanter war, als dass man einen Einblick in den Entwicklungsprozess einer Ausstellung erhielt. Die neue Ausstellung stellt das künstlerische Wirken von Philippe Robert dar, einem Maler, der im grünen Umland von Biel eine Gegenwelt zur rasch wachsenden Bieler Stadt suchte, fand und malte. Weitere Ausstellungschwerpunkte waren verschiedene Schritte und Aspekte der Entwicklung der «Zukunftsstadt» Biel; festgehalten in Aufnahmen des Bieler Fotografen Ernst Kuhn. Ein immer wiederkehrendes Motiv waren die drei Bahnhöfe von Biel.
In der zweiten Führung begleitete Bernadette Walter, Direktorin des NMB, die Gruppe an ein übergrosses Stadtmodell von Biel, welches durch geschicktes Lichtspiel verschiedenste Entwicklungen oder Aspekte der Bieler Stadttopografie darstellen konnte. Derart erleuchtet tauchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschliessend in die Röstigraben-Ausstellung ein, welche sich dem grossen Thema der Zweisprachigkeit Biels widmete und dabei aufzeigte, wie herausfordernd und kompliziert diese Mehrsprachigkeit im Alltag sein kann und wie wenig selbstverständlich ein erfolgreiches Zusammenleben zweier Sprachgruppen in einer Stadt ist. Vor allem, wenn das Zusammenleben ein Miteinander und nicht nur ein Nebeneinander sein soll.
Mit vielfältigen Eindrücken fanden die beiden Gruppen im lauschigen Museumsgarten wieder zusammen, wo man sich rasch in kleinen Gruppen niederliess und ausgiebig das Gehörte vertiefte respektive auf Thurgauer Verhältnisse übertrug und diskutierte. Mit Kaffee und einem Kuchenbuffet verging die Zeit dabei wie Fluge, so dass die Reiseleitung schon bald zum Aufbruch drängte. Über den nun schon oft erwähnten dritten Bahnhof von Biel reiste man zurück in den Thurgau. Die zeitlich noch knapper bemessenen Umsteigeaktionen in Olten und Zürich verliefen wiederum problemlos, so dass abends alle ihren Heimatkanton erreichten.
Karin Bauer und Adrian Oettli
03.09.2022
35 Vereinsmitglieder und die Organisatoren der Exkursion, Adrian Oettli und Philipp Sauter, machten sich am Samstag, den 3. September, mit dem Car durchs Thurtal auf den Weg Richtung Bündnerland. Chur wurde links liegengelassen und vorbei ging es auch an den Passugger Mineralquellen, wo das früher als «Araschger Wasser» bezeichnete Mineralwasser in Flaschen abgefüllt wird. Das Ziel war das ehemalige Kurhaus.
1863 entstand das erste Trinkhaus in der Rabiosaschlucht, zwanzig Jahre später das Kurhaus, wo seit 1988 die 1966 gegründete Hotelfachschule untergebracht ist. Seit 2013 ist sie als «Campus Passugg» Teil der «École hôtelière de Lausanne».
Nach der obligaten Kaffee-Gipfeli-Pause wurde die eine Hälfte der Vereinsmitglieder von der Receptionistin Sieglinde Kreiner über den Campus geführt. Neben einem Einblick in die einzelnen Häuser und die verschiedenen Restaurants, berichtete die Dame, dass ihre Aufgabe weit mehr als die Arbeit an der Reception umfasse. So komme ihr zuweilen die Aufgabe als «Haus-Mami» zu, das nicht nur bei Liebeskummer tröstet, sondern gleichzeitig scharf darüber wacht, dass das Rauchverbot strikte eingehalten wird, um das mit Stroh gedämmte Haus nicht unnötigen Gefahren auszusetzen.
Die andere Hälfte der Thurgauer:innen fand den Weg ins Weinzimmer. Umgeben von (leeren) Weinflaschen, wo die Lernenden der Hotel-Kommunikationsausbildung, einer Grundausbildung im Hotelfach, oder die Studierenden der Höheren Fachschule in die Geheimnisse des Weins eingeführt werden, erfuhren wir von Claudia Schmid, dass es seit 1839 eine Schule in Araschg-Passugg gibt. Während diese Volksschule noch in der Stube eines Privathauses untergebracht war, wurde bald ein erstes Schulhaus erbaut, das später als Tagesschule geführt und schliesslich von der Hotelfachschule übernommen wurde. In den heute als «Bachelor Village» bezeichneten Gebäuden bietet die «École hôtelière de Lausanne» den Bachelor-Lehrgang «Science in International Hospitality Management» an.
Die gleichzeitig nationalen und internationalen Lehrgänge der Höheren Fachschule und des Bachelors werden auf Deutsch und Englisch angeboten. Dementsprechend stammen die Studierenden aus der Schweiz sowie aus dem Ausland, viele von ihnen aus Asien. Etwa zweihundert von ihnen leben auf dem Campus.
Unter Anleitung servierten uns die Lernenden und Studierenden einen schmackhaften, schön angerichteten Zmittag und liessen uns Zeuge ihrer Ausbildung werden.
Die anschliessende Carfahrt nach Disentis wurde vom aus dem bündnerischen Cazis stammenden Wahlthurgauer Pius Lang mit einigen Ausführungen über Graubünden und seine Bewohner:innen bereichert.
In Kloster Disentis angekommen, nahm uns Pater Theo Theiler in Empfang, und nach seiner charmanten Mitteilung, wir seien seine x-te Führung an diesem Tag, fühlten wir uns so richtig willkommen. Auf recht eigenwillige Art führte er uns durch einen Teil des Klosters, die Kirche und die Schule und gab uns einen Einblick in die Benediktsregel, nach der die Mönche leben.
Um 700 errichtete der fränkische Mönch Sigisbert eine Zelle in der «Desertina», die etwa ein halbes Jahrhundert später zum Kloster wurde. Obwohl sich in der Benediktsregel keine Hinweise zum Thema Schule finden, wurde in Disentis im 13./14. Jahrhundert erstmals ein Lehrer / eine Schule erwähnt. Heute ist es eine privat geführte Mittelschule mit Internat, die seit den 1970er Jahren auch Mädchen aufnimmt. Die Verbindung von Kloster und Schule zeigt sich unter anderem darin, dass sechs der zwanzig Lehrer:innen Mönche sind oder dass der erste Schultag mit einem Eröffnungsgottesdienst beginnt und das Schuljahr im Juli mit einem Gottesdienst zum Kirchenfest des Heiligen Placi abgeschlossen wird.
Im Kloster wird nicht nur die jahrhundertealte Bildungstradition hochgehalten, sondern auch die Gastfreundschaft, welche auch den Mitgliedern des Historischen Vereins zuteilwurde. In der Placi-Stube wurden zum Znacht Capuns serviert und es durfte in den neu renovierten Zimmern im Barockkloster oder im nahen Caminadahaus genächtigt werden. Wobei die Zimmer im letzteren wohl als Internat geplant wurden und bei der Schreibenden entsprechende Erinnerungen wachrief.
Am Sonntagmorgen wurde für manch eine:n die lange Schlange vor der Kaffeemaschine zur Belastungsprobe, da der zweite Frühstücksraum unentdeckt blieb. Hungrig blieb jedoch niemand, sodass die gestärkten Thurgauer:innen den Weg mit dem Car nach Sedrun ins Heimatmuseum antreten konnten. Dort begrüsste uns Tarcisi Hendry mit einem musikalisch unterlegten und live kommentierten Film aus den 1930er Jahren, der einen Einblick in das Leben im Tal gab: Frauen mit Kopftuch – Fazolett; Schafscheide – Zählung der Schafe vor dem Alpaufzug; junge Geisshirten, die jeden Tag eineinhalb Stunden mit den Tieren morgens auf- und abends wieder abstiegen; Schweine, die täglich auf die Weide geführt wurden oder die Rückkehr der Schafe im Herbst, für die der ältere Schafthirt mit 15 oder 20 Rappen pro Schaf entlöhnt wurde; Prozessionen durch das Dorf.
Im Anschluss an den Film gab es im liebevoll eingerichteten Museum viel zu entdecken, von Werkzeugen, Bildern, Kinderspielzeug, Einrichtungsgegenständen bis zur grossen Mineraliensammlung mit imposanten Bergkristallen. Für manch ein Vereinsmitglied war es eine Reise in die eigene Kindheit.
Zurück in Chur, stärkten wir uns im Restaurant Drei Bünde mit Pizokels und Nusstorte für das letzte Bildungsangebot der Exkursion: durch Chur spazierend Rätoromanisch lernen. Mit einem kleinen «dicziunari rumantsch» in der Hand, folgten wir den Ausführungen der Führerin Alice Bertogg und des Führers David Flepp, die gekonnt die Sprache, die Geschichte des Rätoromanisch und Churs zusammenbrachten, sodass wir bald schon fliessend Sursilvan zählten – in, dus, treis, quater, … – oder mit «tsch-untschientschuncontatschun tschancs tschufs» (555 schmutzige Widder) den ersten Zungenbrecher beherrschten. Zum Abschluss bestellten wir nicht nur unser Zvierigetränk auf romanisch, sondern schrieben, bevor wir die Rückreise in den Thurgau antraten, gleich noch eine Postkarte mit unseren neuen Sprachkenntnissen:
Cuera ei in bellezia marcau e tschintschar romontsch fa plascher. Cordials salids!
Karin Bauer
Ausschreibung Exkursion 2022.pdf04.09.2021
Die Exkursion wurde von Adrian Oettli und Philipp Sauter organisiert.
Früh am Samstagmorgen, den 4. September 2021, brachen die 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion Richtung Westen auf. Getreu dem Jahresmotto «Essen und Trinken» sollten kulinarische Themen in historischer Perspektive erlebt werden. Komfortabel gereist wurde im Apfelcar, gesteuert von Chauffeur Christian. Die stoische Ruhe und routinierte Fahrweise des Chauffeurs wurden während des Ausflugs mehrfach unter Beweis gestellt. Egal ob enge Überlandsträsschen, unerwartet auftauchende Baustellen oder neu erstellte Einbahnstrassen, nichts vermochte Christian aus der Ruhe zu bringen, und er brachte die Historische Truppe sicher zu jedem Etappenziel des Ausflugs.
Die erste Etappe führte zu einem Zentrum der römischen Schweiz, Augusta Raurica. Begünstigt durch ein geringes Verkehrsaufkommen, hatten die Teilnehmer ausreichend Zeit, die Ruinen selbständig zu erkunden. Über die einstigen Einwohnerinnen und Einwohner und ihre Bauten informierten wahlweise Schautafeln, Stadtmodelle oder Mobiltelefon-Apps mit Virtual Reality-Darstellungen. Nachdem Kaffee, Croissants und frische Früchte genossen waren, starteten die Workshops. Zum Bedauern sowohl der Exkursionsgruppe wie der Verantwortlichen vor Ort war die Leitung des antiken Brotbackkurses bis zum vereinbarten Termin unauffindbar. So teilte sich die Gruppe auf die beiden anderen Angebote «Kult und Kräuter» und «Göttliche Düfte» auf. Archäologiestudent Luca Grünig führte seine Gruppe in die Welt der römischen Salben ein, die aus Kräutern, Olivenöl und Bienenwachs hergestellt und zu medizinischen und kultischen Zwecken verwendet wurden. Eine der Salben, die den Appetit anregen solle, dürfte in der heutigen Zeit kein Kassenschlager mehr sein. Die Teilnehmenden bewiesen zumindest im Verlauf des Tages, dass es dazu keiner Salbe bedurfte. Die zweite Gruppe startete ihren Kurs unter der Leitung von Judith Tschamper mit dem Nachspielen einer römischen Rauchopfer-Zeremonie zu Ehren der römischen Götter. Diese waren uns an diesem Tag wahrlich wohlgesinnt. Mit Mörser, Stössel und viel körperlichem Einsatz wurden anschliessend Kräuter und Harze – Wachholderbeeren, Salbei, Beifuss, Rosenblätter und natürlich Weihrauch, um nur einige zu nennen – in Räuchermischungen verarbeitet. Auf Kohlestücken gaben diese ihre wohlriechende Essenz für Körper, Seele und Geist frei.
Nach einer Fahrt entlang der Kantonsgrenze von Basel-Landschaft und Aargau dinierten die Exkursionsgäste im Landgasthof Farnsburg. Unweit der Ruine Farnsburg liegt der Gasthof, der sich einer herrlichen Aussicht, eines umfangreichen Weinkellers und einer hervorragenden Küche rühmt. Der Sommelier des Hauses stellte bei einem Glas Prosecco in wohlklingendem Elsässerdeutsch seinen Weinkeller vor (sieben Kellerabteile, zwei Million Franken Nettowert, Weine aus 250 Jahren und 50 Jahre Sammelaktivität). Schwer beeindruckt verliess die Gruppe das Gewölbe und die meisten folgten anschliessend ohne Widerspruch den Weinempfehlungen des Sommeliers; zu nachhaltig war der Eindruck der Wein-Unterwelt. Das Essen war famos, die Aussicht auch. Noch während der Mahlzeit wurden künftige Besuche und Töfftouren in die Gegend geplant.
Mit leichter Verspätung brach die Gruppe des Historischen Vereins vom Landgasthof auf. Man hätte noch viel länger verweilen können, doch das Programm und die Reiseleitung drängten zum Aufbruch, was einige um den verdienten Kaffee brachte. Wohlwollend wurde aber jegliches Klagen über diese Ungeheuerlichkeit unterlassen. Nach einer unerwarteten Baustelle mit einer noch weniger erwarteten Umleitung durch das Hinterland von Basel-Landschaft gelangte der Car schliesslich mit rund einer halben Stunde Verspätung nach Rheinfelden zum Feldschlösschen.
Die Gruppe wurde von den beiden Damen Metzmaier und Stücheli in Empfang genommen und die organisierten gekonnt um, so dass die Verspätung zu keinerlei Friktionen oder Beeinträchtigungen führte. Versiert berichteten die beiden Führerinnen in ihrer jeweiligen Gruppe von Hopfen und Malz, Bauern und Brauer sowie von Eisenbahn und Blaublutpferd. Die Teilnehmenden lernten allerlei über die Kunst des Bierbrauens, den Aufbau des Unternehmens, das Produkteportfolio und darüber, wie die grösste Brauerei der Schweiz zu dem wurde, was sie heute ist. Die Führung mündete in eine grosse Degustation, in welcher der Grossteil der Produkte gekostet werden konnte. Ausgiebig wurde davon Gebrauch gemacht. Die Kritiken der nunmehr geschulten Gaumen fielen naturgemäss je nach Marke und Geschmack geteilt aus, worüber sich dann bei Brezel und noch mehr Bier trefflich diskutieren liess.
Anschliessend reiste die Gruppe rasch und unkompliziert nach Hause, wobei sich die Reiseleitung über die anhaltende Energie der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wunderte. Hatte man doch nach Sonne, einem reich gefüllten Programm und insbesondere nach Prosecco, Wein und Bier für den Nachhauseweg mit einer Schlafwagenstimmung gerechnet. Aber dem war nicht so. Munter wurde über das Erlebte reflektiert und diskutiert, bis der Thurgau wieder erreicht war.
Adrian Oettli und Philipp Sauter
docaa2ea7b6.pdf12.09.2020
Römisches Olivenöl und Schweizer Bier: Zwischen diesen zwei kulinarischen Polen bewegen wir uns auf der Exkursion in die Nordwestschweiz. Im ehemaligen römischen Koloniehauptort Augusta Raurica erfahren wir mehr über Nahrungsmittel, Heilkunst und Körperpflege in der römischen Antike. Darauf folgt ein neuzeitliches Mittagessen in einer Gaststätte mit langer Geschichte, das dem Jahresmotto alle Ehre machen soll. Der Nachmittag ist dann den Getränken gewidmet: In Sichtweite zum Rhein informieren wir uns über die Herstellung der diversen Feldschlösschenbiere und haben anschliessend Gelegenheit, das Gehörte mit solider historischer Quellenkritik auf seine Richtigkeit zu prüfen.
Druckversion öffnen07.09.2019
Die Exkursion wurde von Adrian Oettli und Philipp Sauter organisiert.
Zwar sprudelten in Konstanz zu Ende des Mittelalters rund vierzig Brunnen. Sauberes Wasser lieferten sie jedoch nicht. Daraus habe sich die zwingende Notwendigkeit ergeben, grosse Mengen alkoholhaltiger Getränke zu konsumieren, erklärte der Konstanzer Stadtführer Ulrich Büttner. Der Gymnasiallehrer und Historiker führte die eine Teilnehmergruppe der Exkursion des Historischen Vereins. Die zweite Teilnehmergruppe wurde vom Politikwissenschaftler Henry Gerlach geführt. Er arbeitet hauptberuflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter der EU, wie er bei der Kaffeepause im Restaurant Konzil erzählte. Beide Stadtführer arbeiten für die Marketing und Tourismus Konstanz GmbH. Heute gebe es in Konstanz noch vier bis fünf Brunnen auf Stadtgebiet, sagte Büttner beim 1897 errichteten Kaiserbrunnen auf der Marktstätte. Geschmückt wurde er schon zu Beginn von bronzenen Darstellungen deutscher Kaiser, die aber 1942/43 eingeschmolzen wurden, um das Metall für Rüstungszwecke zu verwenden. 1990 wurden neue Figuren aufgestellt, mit viel Schalk vom Bildhauer Gernot Rumpf gestaltet. Ein Pfau mit drei Päpsten erinnert an das Konstanzer Konzil, ein Zwitterwesen aus Fisch und Hase symbolisiert die Seeanwohner, die auf deutscher Seite Seehasen genannt werden. Unhygienisch waren die Verhältnisse in den Feuergassen, von denen die Exkursionsteilnehmer zwei besichtigten. Ihre Hauptfunktion entsprach den heutigen Kanalisationsleitungen. „Hier hat es bestialisch gestunken“, sagte Büttner. Die ein bis zwei Meter breiten Feuergassen wurden in der Regel mit einem leichten Gefälle angelegt, damit die von den Abort-Erkern der angrenzenden Häuser hinunterfallenden menschlichen Ausscheidungen und Abfälle nach Möglichkeit abfliessen konnten. Die eine gezeigte Feuergasse ist in der Regel verschlossen. Doch der enge Durchgang wirkt ohnehin abschreckend. Die andere Feuergasse, die öffentlich zugänglich ist, wird laut Büttner selten betreten. Vor dem Besuch des Seewasserwerks machte die Gruppe Halt im Restaurant Haldenhof, wo sich die fünfzig Exkursionsteilnehmer mit Maultaschen, Braten und Salat verpflegten. Die Getränke waren teilweise wie im Mittelalter mit Alkohol versetzt. Möglicherweise tranken einige Konstanzer schon im Mittelalter auch Wasser aus dem Bodensee, so wie es heute vier Millionen Einwohner des deutschen Bundeslands Baden-Württemberg tun. Versorgt werden sie durch das 1956 bis 1958 erstellte und 1968 erweiterte Seewasserwerk auf dem Sipplingerberg am Überlingersee, der zweiten Station der Exkursion. Sechs Pumpen befördern in zwei Steigleitungen von 1,3 Meter Durchmesser maximal 9000 Liter pro Sekunde zur Aufbereitungsanlage. Diese befindet sich auf 705 Meter über Meer. Die Stelle wurde gewählt, weil unten am Steilufer kein Platz war, sagte die Mitarbeiterin des Seewasserwerks, Sabine Geier, welche die Exkursionsteilnehmer durch die Anlage führte. Sie erwies sich als ebenso kompetent wie die beiden Konstanzer Kollegen Büttner und Gerlach. Deutlich unter dem Niveau der Führerin durch das Seewasserwerk bewegte sich der als Einführung gezeigte Film. Darin werden Kinder gezeigt, die sich angeblich dafür interessieren, weshalb das Wasser aus dem Hahn sauber ist. Da das Wasser 310 Meter in die Höhe gepumpt werden muss, verbraucht das Seewasserwerk so viel Strom wie 40‘000 Haushalte, die Produktion eines mittleren Alpenstausee-Kraftwerks. Dafür fliesst das aufbereitete Trinkwasser weitgehend durch das natürliche Gefälle zu den Bezügern. Die 1971 erstellte zweite Hauptleitung führt durch einen 24 Kilometer langen Stollen durch die Schwäbischen Alb. Dank einem Chlorzusatz, der sich selber abbaut, muss es nirgends weiter aufbereitet werden. Im den 15‘000 und 12‘000 Kubikmeter grossen Ozonbecken unterhalb des Rundbaus werden übriggebliebene organische Partikel getötet. Das Wasser fliesst anschliessend in einen noch weiter unten gelegenen länglichen Bau, der sich sichelartig um den Hügel zieht. Darin befinden sich 27 Becken von 5 Metern Tiefe; jedes etwa von der Grösse eines Gartenschwimmbeckens eines Einfamilienhauses. In der Anthrazitkohle, dem Quarzsand und dem Kies, die den Boden der Becken 1,5 Meter hoch bedecken, bleiben die abgetöteten Partikel hängen. Danach fliesst das aufbereitete Trinkwasser quer durch Baden-Württemberg. Acht Tage dauert die Reise bis zur nördlichen Grenze des Bundeslands. Heftiger Regen setzte ein, als die Exkursionsteilnehmer den Rundbau auf dem obersten Punkt der Anlage betraten. Darin befindet sich das Quellbecken, ein überdimensioniertes Sprudelbad, in das sich das Wasser aus den beiden wenige Meter zuvor vereinigten Steigröhren ergiesst. Die Wassertemperatur von fünf Grad verlockt jedoch nicht zum Bad.
Thomas Wunderlin
Ausschreibung Exkursion 2019.pdf01.09.2018
Der Hitzesommer 2018 legte gerade eine kurze Pause ein, als die 28 Exkursionsteilnehmer mit ihren beiden Leitern vom ebenso jungen wie versierten Fahrer der Firma Apfelcar Märstetten durch den regenverhangenen ersten Septembermorgen nach Luzern chauffiert wurden. Und so standen sie dann nach knapp zweistündiger Fahrt vor der Kapellbrücke unter ihren Regenschirmen und liessen sich von Adrian Oettli an diesem historischen Objekt den vom französischen Historiker Pierre Nora geschaffenen Begriff des „Erinnerungsortes“ erklären. An der Kapellbrücke ist – abgesehen von einigen Bildtafelfragmenten – nichts mehr wirklich alt, schon gar nicht mittelalterlich, und trotzdem ist diese gedeckte Holzbrücke das Lieblingsdenkmal der Schweizer. Vom Brückenbau im 14. über die Verfertigung der Bildzyklen im 17. bis zum Brand und zur Rekonstruktion im 20. Jahrhundert widerspiegelt das Bauwerk nicht nur den Lauf und die Verwerfungen der Geschichte, sondern in den Bildern und in ihren gereimten Bildlegenden auch die Interpretation derselben. Es gelang Adrian hervorragend, gerade auch anhand der bis heute andauernden Diskussionen um den Ersatz der 1993 verbrannten Bildtafeln klar zu machen, dass hinter einem Erinnerungsort immer unterschiedliche Akteure stehen, die sich um dessen Deutung kümmern und gelegentlich streiten.
Ein schmackhaftes Mittagessen erwartete uns auf dem Schaufelraddampfer „Stadt Luzern“. Just auf diesem Schiff war 1940 auch der General mit seinem Armeestab zum Rütli unterwegs. Der Historische Verein durfte sich auf der Fahrt dorthin zudem von den Klängen des Jodelclubs „Edelweiss“ Untersiggenthal auf den helvetischen Wallfahrtsort einstimmen lassen. Allfällige patriotische Überhitzungen kühlten nicht nur die Regentropfen herunter, sondern auch die mythenkritischen Ausführungen Romed Aschwandens, des Kurators des Tellmuseums in Bürglen. Dieser erläuterte nicht nur die (auch nicht mehr ganz taufrischen) Erkenntnisse von Roger Sablonier zu den Gründungsdokumenten des Bundes der drei Waldstätte und zum umstrittenen Datum 1291, sondern begleitete uns anschliessend über den See zur Tellskapelle und erklärte fachkundig den vom Basler Maler Ernst Stückelberg 1879/80 geschaffenen 4-teiligen Freskenzyklus. Eine Tellskapelle ist zweifelsfrei schon vorreformatorisch bezeugt, die erste chronikalische Erwähnung von 1388 liess Aschwanden jedoch nicht gelten, da der Obwaldner Landschreiber Hans Schriber sein Weisses Buch ja nicht vor 1470 geschrieben habe. Der Berichterstatter erlaubt sich hier den Zwischenruf, dass Schriber die Tellsgeschichte nicht einfach erfunden, sondern vorgefunden haben könnte und dass man als Historiker, um mit Hubert Mordek zu sprechen, der Überlieferung auch eine Chance geben sollte, Recht zu behalten.
Auf dem Gotthard erwartete uns – nach einer Begrüssung und kurzen Einführung durch Herrn Eusebio, den Hausherrn des Hospizes – ein gutes Nachtessen in der kulinarischen Tradition des Kantons Tessin, auf dessen Boden wir uns nun befanden. Vom Süden her hellte sich am Morgen der Himmel auf, und für ein Weilchen wärmte uns die Sonne, bevor wir uns auf den Marsch in die Kavernen der Gotthardfestung begaben. Zwei Mitarbeiter des Museums Sasso San Gottardo führten die Teilnehmer in zwei Gruppen durch die bis in die 1990er-Jahre militärisch genutzten Felsen¬kammern. Das Artilleriegeschütz, das direkt auf den nach Italien führenden Passo San Giacomo gerichtet war, konnte von aussen wie vom Berginnern her bestaunt werden. Mehr noch als die ballistischen Informationen beeindruckte der vom Guide mitgelieferte historische Kontext: Mussolini hatte den Säumerpfad auf jenen Pass panzergängig ausbauen und auf der Passhöhe zwei Eisenbahnwagons auf Säulen stellen lassen. Von dort aus blickte man 1940 in die italienischsprachigen Gebiete, welche nach der Eroberung der Schweiz durch die Achsenmächte dem faschistischen Italien zugefallen wären …
Nach einem relativ hastig eingenommenen Mittagessen erwartete uns in der Schöllenen Bänz Simmen aus dem Urserental. Da war die Sonne längst verschwunden. Aber der hier übliche starke und kühle Wind liess das rhetorische Feuer des „Urschemers“ erst recht entfachen. Sein fulminanter Überblick durch 2000 Jahre Geschichte von Gotthardpass und Urserental erlaubte nicht zuletzt Rückschlüsse auf die Gemütslage einer nach dem Rückzug der (jahrzehntelang für Brot und Arbeit zuständigen) Armee wieder auf sich selbst, den Tourismus und Samih Sawiris zurückgeworfenen Talbevölkerung. Die so lebendig erzählten Geschichten und Legenden vom Bau der Teufelsbrücke im Spätmittelalter und den Strapazen der Armee des russischen Generals Suworow im September 1799 bei der Überwindung der Schöllenen hallten im Kopfe noch nach, als wir schon wieder im warmen Car und dann in Altorf bei Kaffee und Kuchen sassen.
Vor dem Wilhelm-Tell-Denkmal in Altorf und anhand der Geschichte dieses Monuments rundete Philipp Sauter unsere Erkenntnisse in Sachen Memorialkultur ab. Dass die Reise zu den Innerschweizer Erinnerungsorten ihrerseits in guter Erinnerung bleiben wird, ist nebst dem sicheren Busfahrer in erster Linie den Planern und Begleitern dieses Ausflugs zu verdanken: Adrian Oettli, Philipp Sauter und dem am Samstag kurzfristig eingesprungenen Peter Erni.
Hannes Steiner
09.09.2017
Das Wetter war miserabel. Der Bus – am Steuer Simon Rechberger – trotzdem voll. Und die Stimmung gut. Alle voller Erwartungen. Und da die Ausreise nach Europa und dessen Mittelalter von den Brüsseler Zollorganen keinerlei Behinderung widerfuhr, hielt der Bus auf die Minute genau vor der Bäckerei Neher in Messkirch. Und weil dort schon aufgetischt war und die Buttergipfeli essbereit auf den Tellern warteten, konnte man sich ohne Stress der Verkostung des deutschen Filterkaffees 44 widmen und dem Gespräch über ihn – und wohl auch darüber, was einen ein paar Kilometer nördlich auf dem Campus Galli erwarten würde.
Erwartet wurde man dort zunächst von Verena Oschwald und Sonja Fecht, zwei Damen in Wollgewändern, die ihre Sache in den folgenden zwei Stunden trotz Regens perfekt machten.
Berichterstatter hatte das Projekt, das dort vor Jahren initiiert worden war, bislang immer mit einem von Skepsis bis schierer Ablehnung getragenen Gefühl zur Kenntnis genommen, wie ihm überhaupt jeder Historismus und jede Retrobewegung im Grunde seines Herzens ein Gräuel sind. Aber er gab seine Vorbehalte an dem Tag Schritt für Schritt auf, weil er spürte, dass sich das Ganze doch auch für die Initianten selber im 21. Jahrhundert abspielte und auch der karolingische Linsentopf und die karolingische Wurst sowie der karolingische Met den Errungenschaften der Jahrhunderte seither verpflichtet waren.
Und überhaupt, auch der Rest, jenseits der Verpflegung, war und ist nicht ohne: Wie reflektiert das Unternehmen betrieben wird, wurde auf der Führung nach und nach deutlich. Da sind nicht einfach ein paar Ewiggestrige oder Idylliker am Werk, sondern Leute, die zwar am Mittelalter den Narren gefressen haben, ihr wissenschaftliches Interesse dabei jedoch nicht opfern, im Gegenteil. So geht man nicht einfach auf die schnelle Verwirklichung des St. Galler Klosterplans aus dem 9. Jahrhundert aus, sondern es wird der gesamte voraufgehende Entwicklungsprozess durchexerziert bzw. durchlitten. Am augenfälligsten wird das vielleicht an der Holzkirche, die nach jahrelanger Arbeit eben ihrer Vollendung entgegensieht, nach der Logik der Dinge später aber durch eine Steinkirche ersetzt werden wird. Und so geht es bei hundert und tausend Dingen: von nichts, kommt eben nichts, und Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Die Handwerker, die man bei der Arbeit sieht, lernen permanent hinzu. Ebenso die beiden Ochsen Korbius und Jonathan, die den öchsischen Eigensinn des 9. Jahrhunderts zwar bereits internalisiert haben, jedoch noch immer nicht fähig sind, einen Karren gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen. Mit ihnen sei das auch gar nicht mehr zu erreichen, meine Sonja Fecht, man werde dieses Lernziel gelegentlich mit jüngeren Nachfolgern zu erreichen versuchen. Soweit man Handgriffe, die es auf dem Gelände zu tun gibt, historisch belegt findet, werden sie genau so getan, die sie belegt sind; soweit sie nicht belegt sind, werden sie zunächst ein paar Mal falsch oder unzureichend getan, bis man den Trick heraus hat. So dürfte im Jahr 2018 der dritte Versuch, eine Glocke zu giessen, unternommen werden und hoffentlich von Erfolg gekrönt sein; zweimal war man nahe dran, aber eben nicht ganz. Anderes glückt beim ersten Mal: der Bau einer Friedhofsmauer zum Beispiel oder die Anlegung eines Staketenzauns um Walahfrid Strabos „Hortulus“. Auch wenn abzuwarten bleibt, wie oft die beiden Umfassungen renoviert werden müssen, bis im einen Fall die Obstbäume, die auf den Friedhof zu stehen kommen, Ertrag abwerfen, oder im anderen Fall der Zaun durch eine Mauer ersetzt werden wird, weil die langsam entstehende Klosterstadt von ihrem dörflichen Image weg will.
Das Unternehmen nördlich Messkirch stösst auf viel Interesse, bereits kommen über 60‘000 Gäste, nächstes Jahr sollen es 80‘000 sein. Viele der Jüngeren, die kommen, dürften Jahre später wieder kommen, und dann noch einmal und vielleicht noch einmal, und wenn sie dann als Greise am Rollator ein letztes Mal dort sein werden, dürften sie feststellen, dass ein Leben nicht genügt, die Entwicklung zu verfolgen: für eine Gesellschaft, die Einfamilienhäuser in einem Tag und Mehrfamilienhäuser in fünf Tagen hochzieht eine ungewohnte Erfahrung.
Der St. Galler Klosterplan bildet zwar die Grundlage des Unternehmens, doch kann man ihn aus topographischen und hydrologischen Gründen nicht 1 : 1 umsetzen; ohnehin ist er nur ein Musterplan, an ihm „seine Findigkeit zu üben“ – wie der Abt der Reichenau vor weit über tausend Jahren seinem St. Galler Kollegen schrieb.
Der Campus, obgleich noch relativ leer, bietet den Besucherinnen und Besuchern doch schon viel: wie gesagt eine Holzkirche und eine Stelle, wo Glockenguss geübt wird, eine Friedhofsmauer und ein Kräutergarten. Aber auch eine Drechslerei samt Drechsler, eine Korbflechterei samt Flechterinnen und Flechtern, eine Töpferei samt Töpfern, eine Schmiede mit studentischem Schmied, eine Produktionsstätte für Holznägel samt Naglerin und Nagler, eine Schindelmacherei (die, weil Mittagszeit, grad verwaist war), das Modell einer Scheune, Bienenstöcke und was der Dinge von Anfängen mehr sind. Man kann den Leuten bei der Arbeit zusehen und sie geben, freilich nicht in Althochdeutsch, gerne und kompetent Auskunft. Die arbeits- und versicherungsrechtlichen Vorgaben, beispielsweise Schuhe mit Stahlkappen und anderes, die auch auf dem Bau des 9. Jahrhunderts gelten, sind gut kaschiert, werden aber nicht verschwiegen; ebenso wenig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn die Tabula ertönt und die Mittagspause beginnt, zum Essen des 21. Jahrhundert schreiten, derweil die Campus-Gäste ausschliesslich Dennele, Linseneintopf, karolingische Würste und Met vorgesetzt bekommen. Das lässt man sich alle paar Jahre gerne gefallen, aber eben nicht jeden Tag.
Wie angetönt: Uhren tragen die Campus-Leute keine, die Tabula, die weithin ertönt, regelt den Lauf des Tages. Die Schar des Historischen Vereins konnte vom Essen aus zuschauen, wie sie geschlagen wird. Dass dann einer der Reisegesellschaft seine eigene Uhr sofort ausser Betrieb setzen würde, war im Programm nicht vorgesehen, aber ein schönes Zeichen dafür, dass auf dem Campus Galli eben doch eigene Gesetze gelten und dass diese Gesetze seine Besucherinnen und Besucher sofort in ihren Bann schlagen.
Nun, die Reiseplanung der Herren Adrian Oettli und Philipp Sauter war dergestalt, dass sie dieses „Aus-der-Zeit-Fallen“ eines Einzelnen problemlos vertrug, und die Käsetorten mit Mohn oder Früchten im „Alten Mesmer“ auf der Reichenau doch noch ohne Stress vertilgt werden konnten. Die anschliessende Fahrt über die Insel im Regen war kurzweilig, der Führer, Raimund Franke, wusste viel und interessant zu berichten, über die fernen Jahrhunderte eines Walahfrid Strabo oder Hermann dem Lahmen ebenso wie über Lustbarkeiten der Gegenwart. Dass man in die Münsterkirche St. Maria und Markus in Mittelzell nur gerade ein paar Minuten, in St. Peter und Paul in Niederzell keinen und in St. Georg in Oberzell ganz und gar keinen Blick werfen durfte, obwohl einem der Speck ante portas gehörig durch den Mund gezogen wurde, war schwer zu verkraften, während die Sicht von der bezaubernden, freilich verregneten Hochwart auch vom Hochsitz im Bus aus einigermassen genossen werden konnte. Trotz der Oberzeller Enttäuschung gelangte die Reisegesellschaft glücklich und zufrieden nach Kreuzlingen, Weinfelden und Frauenfeld zurück.
André Salathé
10.09.2016
Er sei der artenreichste Nutz- und Ziergarten der Schweiz, lernt man im Neugarten auf Wildegg, und der Bally-Park sei der artenreichste englische Landschaftsgarten des Landes vernimmt man in Schönenwerd – und mag es an diesem strahlenden, heissen Septembertag aufs Wort glauben. Nach den Strohhüten, Schirmmützen, Kopftüchern und Pickelhauben zu urteilen, die zwischen den Kräutern und Küchengemüsen, Baumgruppen und Sträuchern aller Art als Überraschungseffekte auftauchen, scheint es dank des Besuchs des Historischen Vereins des Kantons Thurgau an beiden Orten sogar der artenreichste Tag des Jahres geworden zu sein.
Der Car war bis auf den letzten Platz mit Jung und Alt – die jüngste Teilnehmerin, Noée, war acht, die älteste, Annemarie, 96 – besetzt, als er am frühen Morgen in Frauenfeld startete. Eins, zwei – und schon war man in Wildegg im Rüebliland, obgleich das Tiefbauamt des Kantons Aargau einen bei Brunegg noch zu einer grösseren Ehrenrunde für den Burger Mändl alias Hermann Burger und seinen Jérôme de Castelmur-Bondo alias Jean-Rudolf von Salis gezwungen hatte. Möglich, dass man gar nie ans Ziel gekommen wäre, hätte Chauffeur Gogo in Lupfig nicht grosszügig über die Signalisation hinweggesehen und seine wertvolle Fracht kurzerhand als leichtgewichtig eingestuft. Um 10 Uhr jedenfalls stieg man in Wildegg aus dem Wagen, lief den Schlossweg hoch und machte sich über die Kaffeemaschine her. Dann wurden die Headsets gefasst (und teilweise zu Pickelhauben umfunktioniert), so dass Dr. Claudia Moll, die Landschaftsarchitektin und Gartenhistorikerin, die schon in Frauenfeld zugestiegen war, loslegen konnte. Was einem dann in die Ohren schloff, waren Informationen und Interpretationen erster Güte.
Es sind in der durch und durch republikanisch geprägten Schweiz nur wenig repräsentative Gärten angelegt worden – und wahrhaft grosse gar keine. Unbestritten, es gibt eindrückliche Bauerngärten: im Bündner- oder Appenzellerland oder im Bernbiet. Doch alle diese Gärten sind nicht nur Zier-, sondern stets auch Nutzgärten: Kohlrabi in Buchs; Fenchel zwischen Tagetes etc. Und selbst auf Wildegg bei den Effingern, die zwischen 1483 und 1912 dort sassen und einen adeligen Lebensstil pflegten, war es nicht anders gewesen: Im Neugarten, der um 1690 von Bernhard Effinger angelegt worden war (aber eigentlich Neuestgarten heissen müsste, weil er um 1990 nach alten Bildquellen wieder rekonstruiert worden ist), findet man Ziersträucher und Blumen und Birnen und Peperoni gleichermassen. 1912 hatte Julie Effinger ihr Erbe der Eidgenossenschaft vermacht mit der Auflage, die Anlage zu erhalten. Das gelang dieser, wie man konstatieren darf, leidlich. Dennoch war man in Bern nicht unglücklich, als es 2011 gelang, sie dem Kanton Aargau zu übereignen.
Für den Zier- und Nutzgarten mögen Ende des 17. Jahrhunderts der Garten des nahegelegenen Schlosses Kasteln oder derjenige der Casa Battista in Soglio (heute Hotel Palazzo Salis) Vorbild gewesen sein – so genau weiss man das aber nicht. In Wildegg ist nicht mehr alles aus dem 17. Jahrhundert vorhanden. So fehlt zum Beispiel der untere Teil der Treppe, die einst vom Garten bis zur Bernstrasse hinunter geführt hatte. Anderes ist, wie gesagt, dank ProSpecieRara wiedererstanden, nachdem es zwischenzeitlich untergegangen war. Kaum zu fassen, was man in dem Garten alles findet und einen mental von den vergleichsweise öden Gemüseauslagen im Supermarkt in die Jugend zurückversetzt, wo man dies und das doch auch noch gesehen und gegessen hatte oder hatte essen müssen. Man fühlt sich sofort wohl in dem Garten und würde, trotz Hitze, gerne bleiben, sich in den Eckpavillons niederlassen, eine von den schönen Birnen stauchen und dann vor sich hin dösen. Doch verspricht Claudia Moll, beim Schloss oben weitere Leckerbissen offerieren zu wollen. Und so steigt man die Treppen wieder hoch. Und als man oben um die Gebäude herumgeht und in die Niederungen von Möriken und Holderbank blickt, glaubt man plötzlich zu wissen, warum Wildegg Wildegg heisst, oh jeh oh jeeh!
Nicht unerwähnt dürfen die vielen stattlichen Linden auf dem Areal bleiben: fast ausnahmslos Gedächtnislinden, die zu bestimmten Familienereignissen – Geburten, Eheschliessungen, Todesfällen – gepflanzt worden sind.
Der Rosengarten neben dem Rebhaus stammt aus der Zeit um 1830, wurde damals allerdings ebenfalls im längst antiquierten barocken Stil angelegt. Seit 2005 wird er von der Gesellschaft Schweizerischer Rosenfreunde gehegt und gepflegt. Verlässt man ihn durch das hintere Tor, gelangt man auf die ebenso schöne wie morbide Eibenallee, die – die Eibe ist ja der Totenbaum par excellence – zu der Grabstätte einer engen Famililenfreundin der Effinger führt. Dort ergreift einen dann aber doch das Grausen – und man ist nicht unglücklich, als Claudia Moll zum Aufbruch einlädt. Ohnehin knurrt der Magen. Doch muss man nicht lange leiden, denn wiederum ist man eins, zwei in der „Brücke“ in Niedergösgen bzw. unter der mächtigen Linde unmittelbar am Aareufer, wo man es sich bei Speis und Trank und Palaver gut er-gehen lässt.
Gesättigt und erholt macht man sich am Nachmittag zu Fuss in den nahegelegenen Bally-Park auf. Er soll von dem sozial aufgeschlossenen Carl Franz Bally in mehreren Etappen für die Belegschaft seines stark wachsenden Elastikband- und Schuhimperiums angelegt worden sein. An dieser Geschichte ist nach Claudia Moll so viel richtig, dass Bally seiner eigenen Familie, den Geschäftskunden und seinen Angestellten tatsächlich etwas bieten wollte, während die Fabrikarbeiter in der spärlichen Freizeit sich wohl weniger im Park ergingen als dass sie ihren kleinen Pflanzblätz in der Arbeitersiedlung, in der sie wohnten, bewirtschafteten, um den Speisezettel etwas aufzupolieren. Gleichwohl war Bally eine aussergewöhnliche Unternehmernatur, und die Gemeinnützigkeit ist seinen vielen Initiativen durchaus nicht abzusprechen. Auch seine Erben handelten ähnlich, als sie 1919 nach Plänen von Karl Moser ein gewaltiges Kosthaus errichten liessen, in dessen Hochparterre sich die Kantine für die Arbeiter und in dessen erster Etage sich die Essräume für die Angestellten befanden.
Der Park selber wurde 1868/69 angelegt und 1890 bedeutend erweitert. Die erste Etappe erfolgte in Zusammenhang mit dem Bau eines Fabrikkanals, der zweite in Zusammenhang mit der Korrektur der Aare. Beide Male kam Bally ausserordentlich günstig zu viel Land, das er in einen weitläufigen Park in englischem Stil umwandeln und mit vielerlei botanischen und architektonischen Überraschungen ausstatten liess. So findet man auf dem Gelände nicht nur einen Fruchtspeicher, der damals aus einem nahe gelegenen Ort in den Park versetzt wurde, sondern auch einen chinesischen Pavillon, eine Grotte und eine Pfahlbausiedlung im Massstab 1 : 2 – ein Trick, der den Park an jener Stelle um einiges grösser erscheinen liess, als er in Wirklichkeit ist (wobei die 100‘000 Quadratmeter, die er misst, ja auch nicht nichts sind).
Nachdem das Bally-Imperium ab den 1970er-Jahren Schritt für Schritt niederging und die Schuhproduktion von einer amerikanischen Nachfolgefirme im Jahr 2000 ganz eingestellt wurde, wurden Teile des ausgedehnten Fabrikareals häppchenweise verhökert. Das Kosthaus ging an einen Besitzer, der das Innere zum Schloss im Schicki-Micki-Stil umgestaltete: mit viel Marmor, Messing und Spiegeln; dort gibt es jetzt einen Event-Room. Der Park konnte glücklicherweise unbeschadet gerettet und der Öffentlichkeit erhalten werden. Seit 2001 gehört er den Gemeinden Schönenwerd, Gertzenbach und Niedergösgen. Er steht unter kantonalem Denkmalschutz, ist bestens unterhalten und ein Anziehungspunkt erster Güte. 2016 erhielt er den renommierten Schulthess Gartenpreis.
Auch die Teilnehmer der Exkursion konnten sich dem Zauber der völlig durchgestalteten und doch so natürlich erscheinenden Anlage mit ihrem gekonnten Spiel mit Licht und Schatten nicht entziehen. Der Park mit seinen wunderbaren alten Bäumen ist von majestätischer Schönheit. Die Ausführungen von Claudia Moll aber waren, wie zuvor schon in Wildegg: von grösster Sachkunde und kritischem Geist geprägt. So rundete sich alles zu einem Tag voller Vergnügen und Belehrung – gekrönt von einem von den Organisatoren herbeigeschleppten Arbeiter-Zvieri im chinesischen Pavillon.
Dank zu sagen galt es nicht nur Claudia Moll – was mit einem ausserordentlich lang anhaltenden Applaus erfolgte –, herzlich danke zu sagen gilt es an dieser Stelle auch noch den Reiseleitern Verena Rothenbühler und Adrian Oettli. Sie hatten die Exkursion perfekt geplant und geleitet – und dafür gesorgt, dass man der versierten Führerin dank modernster Technik stets aufs Wort folgen konnte, selbst wenn man sich – wie es der Berichterstatter mehrmals getan hat – gelegentlich weitab in die Büsche schlug oder gruppenferne Gemüsebeete und Birnenspaliere abschritt.
André Salathé
05.09.2015
Entsprechend dem Jahresmotto „Höhen und Tiefen“ führte die Jahresexkursion zum (geografisch) tiefsten Punkt der Schweiz, dem Lago Maggiore und dessen „Isole di Brissago“ sowie auf den „Berg der Wahrheit“. Einen vertieften Einblick in die vor 100 Jahren aktive „Theosophische, neo-christliche, kommunistische, vegetabile, individuelle Kooperative“ auf dem Monte Verità bei Ascona zu gewinnen, war die Erwartung von 29 Bus-Reisenden. Sie machten sich, unter Führung der beiden Vorstandsmitglieder und Organisatoren der Reise, Karin Bauer und Adrian Oettli, frühmorgens aus dem regnerischen Thurgau ins sonnige Tessin auf. Von ganz besonderer Bedeutung bei solchen Exkursionen ist das Intervall der Kaffeepausen; in Andeer blieb neben Kaffee und Gipfel im Hotel Fravi sogar noch Zeit für einen kurzen Spaziergang durchs Dorf. In Ascona ging’s direkt zum Mittagessen in den Hof des „Ristorante Antico Borromeo“. Der anschliessende Programmpunkt „Individueller Spaziergang durch Ascona“ wurde von den meisten Mitreisenden zuerst dazu genutzt, das nur wenige Schritte nebenan liegende „Collegio Papio“ zu besichtigen – eine katholische Mittelschule, in der ein Kreuzgang und eine Kirche zu sehen sind. Gefallen haben hier besonders die zahlreichen Fresken in der Kirche. Der Wunsch nach Kaffee und Süssspeise drängte dann viele an die berühmte See-Promenade, wo man sich später wieder sammelte. Es folgte ein kurzer Fussmarsch zum „Museo Castello San Materno“, einem vor wenigen Jahren renovierten Palazzo auf einer Anhöhe inmitten der Stadt. Die Kunsthistorikerin lic. phil. Ursina Fasani gab einen (etwas trockenen) Überblick über das Haus und die schön präsentierte Sammlung der „Fondazione per la Cultura Kurt e Barbara Alten“ mit rund 40 Werken deutscher Künstler aus der Zeit zwischen dem Ende 19. Jahrhunderts und den 1920er-Jahren. Durch eine Hauptstrasse vom Castello getrennt liegt das „Teatro San Materno“, eines der ersten Gebäude des Neuen Bauens, den der damalige Besitzer des Castello seiner Tochter Charlotte Bara als Tanz-Schule finanzierte. Weil der hier für die Führung vorgesehene Spezialist wegen höherer Gewalt ausfiel, gab Karin Bauer anlässlich eines Rundgangs um das Haus eine informative Einführung in Besonderheiten und Bedeutung des gekonnt renovierten Baus. Weiter ging’s per Car zum Monte Verità. Auch die diesjährige Fahrt mit dem Bus bot Unterhaltungswert: Millimeterarbeit des Chauffeurs („Jetzt wird’s richtig eng“) und Zwischenrufe resp. Lösungsvorschläge des Publikums erheiterten bzw. nährten Befürchtungen – je nach Temperament der Teilnehmenden. Das Hotel auf dem Berg erfreute! Die Aussicht durch die grossen Fenster oder vom geräumigen Balkon auf den Lago Maggiore und die Hügelkette an dessen südlichem Ufer ist wunderschön. Kaum blieb Zeit für einen Aperitif auf der einladenden Terrasse – schon war Abendessenszeit. Bei dem schmackhaften Mahl wurden in angeregter Diskussion die Tageseindrücke verarbeitet. Zu hoffen bleibt, dass die happigen Weinpreise diese Eindrücke nicht zu sehr verwischten.
Der zweite Exkursionstag begann mit einem reichhaltigen Frühstücksbuffet mit Blick vom Essplatz auf Park, See und Berge bei herrlichstem Sonnenlicht, von hohen Bäumen wie gefiltert. Nun wartete im Park die 87-jährige Enrichetta Alessandra Rogantini De Beauclair. Sie kennt den Monte Verità wie ihr eigenes Zuhause, ist sie doch als Tochter des Verwalters und Sekretärs auf dem Berg aufgewachsen und hat in Ascona die Schule durchlaufen. Die rüstige Dame erzählte aus dem Gedächtnis frisch und unterhaltsam aus ihrer Jugendzeit, besonders von den Gründern der Kooperative der „Lebensreformer“ und deren ersten Nachfolgern (und von den Merkwürdigkeiten des Wirkens und Treibens in den „wilden“ Zeiten) sowie von der selbst erlebten Zeit unter Baron Eduard von der Heydt.
Ein weiterer Höhepunkt (obwohl der Tiefpunkt, s. o.) folgte mit den Brissago-Inseln: Per Bus zum Schiff und mit diesem kurz übergesetzt zur grösseren der beiden Inseln. Diese ist ein einziger botanischer Garten, gegliedert nach den Kontinenten, aus welchen die gezeigten Pflanzen stammen. Mitten im Garten, erhöht am höchsten Punkt der Insel, steht eine schlossartige Villa, die als Hotel und Restaurant genutzt wird. In der verglasten Loggia mit prachtvollem Blick zum oberen See-Ende hin, wurde den Teilnehmern das Mittagessen serviert (Piccata – man war an frühere Exkursionen erinnert). Diesem erholsamen Unterbruch folgte eine Führung in zwei Gruppen durch den Garten. Verena Fleury und ihre Kollegin erläuterten ebenso versiert wie charmant in unterhaltsamer Mischung Merkpunkte aus der Geschichte der Inseln und pflanzliche Besonderheiten und Raritäten.
Die Zeit auf den Inseln schloss ab mit einer weiteren Kaffee- und Dessertzeit in besagter Loggia. Voll von Eindrücken und wohl deshalb leicht ermattet setzte die Gruppe per Schiff nach Ronco über, wo sie kurz darauf der Bus aufnahm. Die Heimfahrt genossen die einen in stiller Verarbeitung des Erlebten, die anderen in angeregtestem Dialog. Unterbrochen wurde die Rückfahrt in Sargans, wo nicht nur ein Abendessen à la carte (bei moderaten Weinpreisen) möglich war, sondern auch der Oberkellner seinen Gästen bis in den Bus folgte, um persönliche Dankesworte per Lautsprecheranlage weiterzugeben. Zeitgerecht fast auf die Minute (wie bei praktisch jedem Programmpunkt dieser gelungenen Exkursion) erreichte man am späteren Abend die einzelnen Ausstiegsorte.
Hansjörg Oettli
06.09.2014
Nicht nur aus dem Thurgau reisten die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit öffentlichem und Individualverkehr an, um sich im Café s‘Bärli in der Lenzburger Altstadt für die Exkursion 2014 zu versammeln. Nach dem obligaten Znüni regten die technischen Probleme mit der Funkanlage niemanden mehr wirklich auf, zumal Stadtführer Christoph Moser versprach, seine Führung über die Familie Hünerwadel lautstark durchzuführen. Und so erfuhr die wie immer aufmerksame Zuhörerschaft des Historischen Vereins, dass die Hünerwadel im 17. Jahrhundert aus Schaffhausen ins Städtli unter der Burg gekommen waren, wo sie ideale Voraussetzungen für ihre Geschäfte vorfanden. Zunächst als Landschreiber im Rathaus tätig, begründete die dritte Generation ein Textilhandelsimperium. Christoph Moser brauchte immer wieder grosse Begriffe zur Würdigung der Hünerwadelschen Leistungen, und gross sind auch die beiden Gebäude, die im Zentrum der Führung standen: das Handelshaus der sogenannten Walker-Linie der Hünerwadel einerseits und das Müllerhaus der Bleiche-Linie andererseits. Beide Häuser stammen aus dem 18. Jahrhundert und doch sind sie ganz unterschiedlich. Das mächtige Handelshaus besteht aus einer Kombination zwischen Repräsentationsräumen in den Untergeschossen und dem Lagerplatz unter dem mächtigen Walmdach. Es sollte auch als Beleg für die Kreditwürdigkeit seines Besitzers dienen, was man sich gut vorstellen kann, wenn man es mit den anderen, daneben schmächtig wirkenden Häusern der Lenzburger Altstadt vergleicht. Im 19. Jahrhundert wurde es zum Schulhaus umgenutzt, und zwar für die verschiedensten Schultypen, unter anderem war auch das erste Lehrerseminar des Kantons Aargau unter der Leitung des Seminargründers und „Klostermetzgers“ Augustin Keller hier. Im Lauf der Zeit zog eine Schule um die andere in Neubauten um, einzig die KV Handelsschule blieb am Ort.
Einen ganz anderen Eindruck macht das sog. Müllerhaus, das als klassizistischer Bau keineswegs an eine Mühle erinnert; seinen Namen verdankt es dem letzten Besitzer. Auftraggeber war Gottlieb Hünerwadel-Saxer, der „Roi de soleil de Lenzburg“, gebaut wurde es für sein Baumwollverlagswesen. Und es steht nicht etwa irgendwo, sondern auf dem Schnittpunkt der Handelsstrasse zwischen Bern und Zürich und der Produktionskette der Baumwollverarbeitung durch Heimarbeiter vom Schwarzwald bis in die Zentralschweiz. Das vorbildlich restaurierte Gebäude hat ebenso wie das Handelshaus Lagerräume für die unverarbeitete Baumwolle, doch befinden sich diese hier in den Kellerräumen unter dem dreistöckigen Gebäude. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten sich auch im Innern des Hauses vom beeindruckenden Erhaltungszustand überzeugen und einen Eindruck von den grossbürgerlichen Wohnverhältnissen des Gottlieb Hünerwadel-Saxer gewinnen. Dort erfuhren sie auch vom Abstieg der Familie, zu dem unglückliche Konstellationen und Schicksalsschläge führten, so dass heute kein Hünerwadel mehr in Lenzburg lebt.
Nach diesen Verhältnissen à la Buddenbrooks bot der Festsaal des Ochsen mit der weiss glänzenden Raumdecke und dem ornamental verzierten Spannteppich ein räumliches Kontrastprogramm. Aber niemand beschwert sich über ein Intérieur, wenn das Essen schmeckt und der Service stimmt. Und genau so war es. Der Aargauer Zwetschgenbraten mit Bohnen und Kartoffeltätschli war gelungen, und diejenigen, die mehr wollten, erhielten Nachschlag, so dass zum Schluss alle mit vollem Magen in Richtung JVA losspazierten.
Die Kontrolle der Ausweise durch den Uniformierten hinter der Panzerglasscheibe, die Präsentation der mitgeführten Gegenstände vor dem Portier, das Verbot von Handys, die verschlossenen Türen, die vergitterten Abschnitte in den Trakten und schliesslich die beengten Verhältnisse in einer 7.5 Quadratmeter grossen Zelle liessen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann aber schnell ihr Wohlbefinden nach dem guten Essen vergessen. Mit dem Eintritt in die Strafanstalt betritt man eine andere Welt mit eigenen Gesetzen. Frau Gautschi, Frau Renggli und Herr Täschler vermittelten uns mit ihren Ausführungen und den Antworten auf die vielen Fragen der Besucher ein differenziertes Bild vom Leben in der Strafanstalt. Aber auch die Anlage selbst ist eindrücklich: Aus dem Zentrum führen 5 Zellentrakte in alle Himmelsrichtungen, im Aussenraum befinden sich Plätze für den Freigang, ein Fussballplatz und die Gebäude der Handwerksbetriebe, der Gärtnerei, Schreinerei, Malerei usw. Um das Gelände herum führt eine 8 Meter hohe Mauer und zwei Zäune. Nach dem Rundgang stellte uns der Verwalter in einem Vortrag dar, wie die Angestellten mit viel Pragmatismus versuchen, den Anforderungen des Gesetzgebers und der Gesellschaft ebenso genüge zu tun wie den Bedürfnissen der Gefangenen.
Als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Anstalt nach zwei Stunden wieder verliessen, nahmen sie starke Eindrücke mit. Und so drehten sich dann die Gespräche beim anschliessenden Zvieri und auf der Rückfahrt verständlicherweise immer wieder um diese Welt, in der man es vermeidet, beim Abschied „Auf Wiedersehen“ zu sagen.
Urban Stäheli
30.08.2013
Etliche vermuten es seit längerem, einige wissen es: Unser ehemaliges Vorstandsmitglied Beatrice Sendner ist eine halbe Bambergerin. Viele kennen Bamberg nur vom Hörensagen. Nun besteht die einmalige Chance, es unter der kundigen Oberleitung von Beatrice Sendner mit eigenen Augen zu sehen. Freilich: Weil Bamberg doch Zeit braucht, schon allein wegen der Hin- und Rückfahrt, aber erst recht, wenn man dort ist und die Augen aufgehen, dauert die Exkursion für einmal drei Tage und kostet auch einen Batzen.
Exkursion 2013.pdf01.09.2012
In regenfester Kleidung bestieg die Reisegruppe bei Starkregen in Frauenfeld und Weinfelden den Apfelbus und fuhr in Richtung Bregenzerwald. Der erste Programmpunkt, der Kaffeehalt auf dem Bödele oberhalb von Dornbirn, sollte einen Überblick über die hügelige Region des Bregenzerwaldes bieten und bot stattdessen die Innenansicht einer Wolke. Lange wollte man sich hier nicht aufhalten auf über 1000 Metern über Meer, wo es nach den schwülwarmen Tagen der vergangenen Wochen empfindlich kalt war. Man blieb für die Dauer einer Tasse Kaffee aus der Kanne und ein Gipfeli, das aussah wie ein Nussgipfel.
Nächster Halt Hittisau. Hier empfingen Helga Rädler und Marion Maier die Gruppe und gaben in den zweieinhalb Stunden bis zum Mittagessen allerhand Geschichten und Ansichten von Holzkultur und tollkühnen Frauen zum Besten: Vom Frauenmuseum, das sich ein modernes Holzgebäude zusammen mit der männlich dominierten Feuerwehr und dem Probelokal der gemischtgeschlechtlichen Dorfmusik teilt. Über die sternförmige Raumplanung, so dass hier Wiesen bis ins Dorfzentrum und die Häuser strahlförmig in die Wiesen wachsen. Von starken Frauen, die Männer hochhoben oder in Kübeln über die Niagarafälle seiltänzelten. Und immer wieder vom Holz, von der Weisstanne und ihrer Verarbeitung. Bei alledem schwingt stets eine gehörige Portion Regionalstolz mit. So auch im Restaurant Krone, wo sich die Gruppe zum Kalbsbraten mit Kartoffelstock und Gemüse in gepflegter Atmosphäre niederliess und wo Herr Nussbaumer, der Herr des Hauses, den Besuchern nach dem Essen erklärte, weshalb sein Haus nach der Renovation einen Architekturpreis erhalten hat.
Anfang Nachmittag fuhr die Gruppe eine kurze Strecke nach Schwarzenberg, begleitet von zahlreichen Wäldergeschichten, die Helga Rädler erzählte, und vorbei am Rohbau des von Peter Zumthor geplanten Handwerkerzentrums Werkraum in Andelsbuch. Der Spaziergang durch Schwarzenberg stand unter dem Thema Angelika Kaufmann, einer in Chur gebürtigen Malerin, die schon zu Lebzeiten Berühmtheit erlangte. Ihr Vater stammte aus Schwarzenberg und sie fühlte sich dem Dorf eng verbunden. Vater und Tochter arbeiteten gemeinsam am Innenraum der Kirche, wo noch heute Bilder der Künstlerin zu sehen sind. Das ihr gewidmete Museum befindet sich in einem alten Bregenzerwälder Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert mit Einbauten aus dem 20. Etwas vom Dorfzentrum entfernt, nach kurzem Spaziergang, auf dem immer wieder nobel gewandete Konzertbesucher der Schubertiade ein ungewohnt städtisches Flair verbreiteten, liegt das Werkraumdepot. Peter Fink, Gründungsmitglied des Vereins Werkraum mit rund 80 Mitgliedern, berichtete vor Ort, wie sich die Bregenzerwälder Handwerker nach dem Beitritt zur Europäischen Union um ihr lokales Handwerk sorgten und sich zusammenschlossen. Inzwischen – das zeigen auch die Exponate oder „Stückle“, wie er sagte, die in diesem Showroom präsentiert werden – haben die hiesigen Handwerker einen Weg gefunden, innovative Ideen von Aussen zu holen und vor Ort umzusetzen.
Vor der Rückfahrt stärkten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Kaffee und Kuchen. Und nachdem auch die Rückfahrt im Trockenen verlief, kann man angesichts der Regenprognosen von Wetterglück sprechen, das den Reisenden an diesem Tag im Bregenzerwald hold war. Eine kleine Überraschung vielleicht, ebenso wie dies und das, was die Gruppe über den Bregenzerwald erfuhr.
03.09.2011
Die diesjährige Exkursion führte nach Basel, nicht zum Münster, nicht zu Tinguely oder Beyeler, nicht zu Konrad Witz, Holbein oder gar ins Staatsarchiv. Nein, der Abfluss des Wassers aus der Schweiz nordwärts und die Bedeutung der europäischen Verkehrsachse genannt Rhein war das Thema. Stillschweigend vorausgesetzt wurde die Tatsache, dass die irischen Mönche auf dieser Wasserstrasse an den Bodensee gekommen sind und „uns“ von der Reichenau und St. Gallen aus christianisiert haben. Der Rhein kann deshalb auch als europäische Kulturachse bezeichnet werden, die das Weltmeer mit dem Bodensee verbindet.
Die von Verena Rothenbühler und Bettina Hedinger sorgfältig und liebevoll vorbereitete und durchgeführte Exkursion startete in Rheinfelden. Dieses um 1130 durch die Zähringer gegründete Städtchen mit Burg auf der Rheininsel war bis 1803 freie Reichsstadt unter österreichischer Herrschaft und wurde erst durch Napoleon vom badischen Teil getrennt und zum Aargau geschlagen. Die mittelalterliche Struktur und Teile der Stadtbefestigung sowie zahlreiche hervorragende Häuser prägen das Ortsbild, zusammen mit einigen Hotelbauten, die den Massstab der Stadt weiten. Rheinfelden wurde nämlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts berühmt durch die Solbäder, nachdem 1844 grosse unterirdische Salzlager entdeckt worden waren. Das Regionalmuseum des Fricktals, das wir auch besucht haben, gibt einen guten Überblick über die Bedeutung des Ortes, des Salzes und der Badekur im Laufe der Zeit.
Nach einem wehmütigen Blick rheinaufwärts, wo die letzten Spuren des ältesten Laufkraftwerkes in Europa (1898) kaum noch sichtbar sind, trug uns der „Lällekönig“ (Baujahr 1980) mit über 300 weiteren Trinkfreudigen – es war einer der heissesten Tage des Jahres – rheinabwärts durch zwei Schleusen nach Basel und zum Dreiländereck.
Am zweiten Tag machte uns ein pensionierter Kapitän mit der Schifffahrer-Nation Schweiz und der Nabelschnur Basler Rheinhafen bekannt, zuerst anhand einer Power-Point-Schau, dann vom Dach des 1926 erbauten Bernoulli-Silos aus, benannt nach dem Architekten Hans Bernoulli (1876-1959). Hier oben steht man wirklich im Herzen Europas: der Jura, die Vogesen und der Schwarzwald bilden auf drei Seiten den Horizont, nach Norden öffnet sich die weite Rheinebene mit dem Isteiner Klotz und zu Füssen berühren sich Frankreich, Deutschland und die Schweiz – das Dreiländereck am Rheinknie. Die Ausstellung „Verkehrsdrehscheibe Schweiz und unser Weg zum Meer“ machen die grosse Bedeutung des Rheinhafens Basel-Kleinhüningen für die Schweizer Wirtschaft im Laufe der Zeit vollends deutlich.
Auf der Rückfahrt besichtigten wir eines der zwölf Flusskraftwerke zwischen dem Bodensee und Basel: Birsfelden. Es wurde von 1950 bis 1954 erbaut und vom Architekten Hans Hofmann gestaltet, der auch der Landi 1939 sein Gesicht gegeben hat. Auch konnten wir die am Vortag vom Schiff aus erlebte Schleuse noch von oben besichtigen.
Müde und gedankenschwer sind wir abschliessend dem Rhein entlang Richtung Frauenfeld gefahren: Die Eingriffe des Hafens und des Kraftwerkes in die Landschaft sind, wenn auch schonend ausgeführt, doch gewaltig und wir dürfen dankbar sein, dass die Hochrheinschifffahrt in Schweizerhalle endet und Salmsach nicht, wie in den happy-sixties geplant, zur Hafenstadt geworden ist.
Jürg Ganz
04.09.2010
Das Wetter schien dem Historischen Verein bei seiner Jahresexkursion wohl gesinnt zu sein, und es versprach ein prächtiger Herbsttag zu werden, als die 50 Mitglieder am Samstag im Reisecar der Firma Madörin mit Chauffeur Simon Rechberger ins Süddeutsche aufbrachen. Hingegen waren die Götter des Grenzübertritts übel gelaunt. Sie schienen weder von Schengen noch anderen bilateralen Abkommen etwas gehört zu haben. Während der Chauffeur am Zoll in Kreuzlingen in zähen Verhandlungen mit dem wiehernden Amtsschimmel versackte, sanken gewisse Mitglieder wieder sanft in den morgendlichen Dämmerschlaf zurück. Allein Roswitha Möhl holte ihre Morgengymnastik nach und hüpfte auf dem Trottoir von Platte zu Platte. Nur indem der Chauffeur sein Logbuch in Kreuzlingen als Pfand zurückliess – Geiseln mussten erstaunlicherweise keine gestellt werden –, konnten wir die Grenze ins Nachbarland Baden-Württemberg passieren und weiter durch die reizvolle und arkadisch anmutende Landschaft ins obere Donautal zur Benediktiner-Erzabtei St. Martin zu Beuron, dem Stammkloster der Beuroner Kongregation, fahren.
Im Gästehaus „Maria Trost“ wurden wir von einer Schar bis an die Grenze zur Selbstverstümmelung korsettierter Servierdamen empfangen, die, mit Trachtenschmuck behangen wie die Schlittenpferde des zwoten bajuwarischen Ludewigs, den ersehnten Kaffee samt Butterbrezeln in erstaunlicher Lebhaftigkeit darzureichen wussten. Anschliessend standen die Besichtigung der barocken Klosterkirche und ein Referat zur Beuroner Kunstschule von Herrn Prof. Dr. Hubert Krins auf dem Programm. Das Kloster, das 1077 als Augustiner-Chorherrenstift gegründet wurde, erlebte seine eigentliche Blüte erst im 19. Jahrhundert. 1802 im Zuge der Säkularisation aufgehoben, wurde es 1863 als Benediktinerkloster neu gegründet und 1868 zur Erz-Abtei erhoben. Berühmt wurde die Abtei als Zentrum der Beuroner Kunstschule, die mit ihrer stark an ägyptischen, altchristlichen und byzantinischen Vorbildern orientierten Malerei einen belebenden Einfluss auf die religiöse Kunst des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ausübte. Zu diesen malenden Klosterbrüdern gehörte der Steckborner Konvertit Pater Gabriel Wüger (1829–1892), dessen Werk in der spätbarocken Klosterkirche u. a. mit dem 1867 entstandenen Altarbild präsent ist. Mit der im Beuroner Stil ausgemalten Gnadenkapelle, die ab 1898 entstand, zeigte uns Hubert Krins ein weiteres wertvolles Relikt dieser Kunstrichtung, welche später selbst in Beuron in Misskredit geraten war und im Zuge der Wiederherstellung des barocken Erscheinungsbildes der Klosterkirche entfernt wurde. Anschliessend durften die männlichen Mitglieder des Vereins zusammen mit Hubert Krins die Klausur betreten, während die Frauen den Weg ums Kloster herum zu gehen hatten und vor der Klosterpforte wieder in Empfang genommen wurden. Im Festsaal der Abtei, der beiden Geschlechtern offen stand, vermittelte uns Hubert Krins, der sich ehrenamtlich für die Erhaltung und die Aufarbeitung der Werke der Beuroner Künstler einsetzt, anhand von originalen Skizzen und Dokumenten einen Einblick in das Werk des talentierten Zeichners und Malers Gabriel Wüger.
Nach dem Mittagessen im nahe gelegenen Hotel Pelikan und einem kurzen Abstecher in den obligaten Devotionalienshop des Klosters, machten wir uns auf den Weg zu unserer nächsten Station: der Emmauskapelle an der Autobahnraststätte „Hegau-West“. Dort empfing uns Bernhard Albrecht, 2. Vorsitzender des Trägervereins der Autobahnkapelle, der uns die von Widerständen und Geldnöten nicht freie Entstehungsgeschichte des Kirchenbaus schilderte. Das Resultat ist jedoch eindrücklich: die moderne Kirche überzeugt in ihrer schlichten Betonarchitektur und von ihrem erhöht gelegenen Standort aus öffnet sich ein weiter prächtiger Blick in die vulkanisch geprägte Landschaft des Hegaus. Nach einer kurzen Fahrt gelangten wir ins Städtchen Engen, dessen individuelle Besichtigung den Schlusspunkt unserer Exkursion bildete. Da die Männer nun ob ihres klausurbedingten Wissensvorsprungs doch das schlechte Gewissen plagte, wurden die Frauen von ihren Begleitern zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Damit wurde der – ausserhalb Beurons – etablierten Gleichstellung Rechnung getragen und der Friede zwischen den Geschlechtern wieder hergestellt. Zufrieden und erfüllt von einer interessanten, von Karin Bauer und Urban Stäheli hervorragend geplanten und umsichtig geleiteten Exkursion, traten wir die Heimreise an. Der milde Spätsommertag hatte inzwischen auch die Zöllner versöhnlich gestimmt und der Grenzübertritt verlief flott und ohne lange Warterei.
05.09.2009
Die Innerschweiz präsentierte sich uns bei strahlendem Spätsommerwetter von ihrer schönsten Seite. Aber auch die Organisation und Leitung der Exkursion (Bettina Hedinger und Karin Bauer) sowie die Betreuung durch die Gastgeber liessen keine Wünsche offen. Im Grossratssaal des Rathauses zu Schwyz, einer ehemaligen „Wöschhänki“, führte Staatsarchivar Erwin Horat in die Geschichte des Hauses und die Besonderheiten der Schwyzer Staatsform ein, bevor man dann vom Sockel der Pfarrkirche St. Martin einen Blick auf den imposanten Dorfplatz des Fleckens und die Fassadenmalerei am Rathaus werfen konnte. Nach dem Essen ging’s unter der Führung von Denkmalpfleger Markus Bamert zu den Herrschaftshäusern einiger der auch im Thurgau aktiv gewordenen Schwyzer Geschlechter. Vom Palais der Ab Yberg „im Grund“ sahen wir nur die frühbarocke Fassade und den schmucken Garten, aber im prächtigsten der vielen Herrschaftshäuser, dem Ital-Reding-Haus, konnten wir die öffentlich zugänglichen Innenräume mit ihrer üppigen Ausstattung bewundern. Als Zugabe führte uns Markus Bamert in einen erst kürzlich von den (privaten) Besitzern fachgerecht renovierten grosszügigen Empfangsraum im „Feldli-Haus“, in dem Franz Georg ab Yberg (1673–1753) als Reisläufer in spanischen und österreichischen Diensten die barocke Stukkatur der Decke durch den kaiserlich-habsburgischen Doppeladler bereichert hatte. In Erinnerung bleiben dürfte auch der Gang durch das Wohnhaus „Bethlehem“, einen Holzständerbau, dessen Entstehung man lange Zeit in die Mitte des 16. Jahrhunderts. datiert hatte, dessen Balken jedoch allesamt aus der Entstehungszeit des Bundes der Waldstätte stammen. Abendessen und Übernachtung im historischen Waldstätterhof in Brunnen waren gediegen, um nicht zu sagen luxuriös. Nachdem uns Erwin Horat in die Geschichte von Verkehr und Tourismus in der Zentralschweiz und Josef Gwerder, ehemaliger Schiffskonstrukteur in der Werft von Luzern, in die Entwicklungsschritte der Motorschifffahrt auf dem Vierwaldstättersee eingeführt hatten, konnten wir dann beide originalen Raddampfer als Transportmittel benutzen bzw. „erfahren“. Von Brunnen ging’s mit Dampf nach Bauen UR und nach dem Mittagessen im Geburtshaus von Alberich Zwyssig zurück nach Vitznau. In Bauen mit seiner südlichen Vegetation stellte uns Vereinskollege Alexander Werder den hier geborenen Komponisten sowie den Textdichter des Schweizerpsalms vor, die als politische Antipoden noch vor dem Sonderbundskrieg die Aussöhnung der verfeindeten Parteien im Geiste einer pantheistisch überhöhten Natur- und Vaterlandsliebe vorweg genommen hatten.
Druckversion öffnen06.09.2008
Getreu dem Reisemotto „Mit einem Zug ins Grosse – Alfred Eschers Zürich“ hatte sich die Reiseleitung entschlossen, dieses Jahr den Transport der munteren Reiseschar unseren meistens pünktlichen Staatsbahnen zu überantworten. Und siehe da: Rechtzeitig und wie vereinbart trafen sich die 50 Teilnehmenden in der grossen Bahnhofshalle. Niki de Saint Phalles von der Decke baumelnder, draller Engel versprach umfassend Schutzgeleit gegen allfälliges grossstädtisches Unbill.
Der zur ehernen Tradition gewordene Startkaffee wurde zwecks Einstimmung ins Tagesthema in der Nachbarschaft zum Paradeplatz eingenommen. Dies bot unserem Referenten, Herrn Prof. Joseph Jung, die Gelegenheit, sich in lockerem Rahmen mit seinen Anvertrauten der nächsten Stunden bekannt zu machen.
So ging’s denn los, quer über Trottoirs und Tramschienen, stets wohlversorgt mit noch nie gehörten Details zu Geschichte und Werdegang dieses Stadtteils. Ja, diese Zürcher Goldmeile, auch Bahnhofstrasse genannt: der Boulevard Haussmann schenkte die Idee, der Fröschengraben erzwang die Symmetrie – so etwas konnte nur in einem Knick enden. Ein Kurzbesuch bei der Credit Suisse, der Nachfolgerin der von Escher zwecks Finanzierung des Eisenbahnbaues gegründeten Schweizerischen Kreditanstalt, versöhnte wieder mit dem Malheur. Diese imposante Gründerbaute, deren Entstehungsgeschichte anschaulich gemacht wurde durch die Ausführungen von Prof. Jung, beeindruckte durch den Reichtum an mit Liebe ausgeführten Details, ihre Zweckmässigkeit und ihre auf unerschütterlichen Zukunftsglauben gegründete Grösse. Das Erdgeschoss wurde leider kürzlich in eine Shopping-Mall umgebaut; die sich ehemals dort befindlichen Bargeldschalter wurden aufgehoben, damals, als die Chefs glaubten, auf Kleinkunden nicht mehr angewiesen zu sein (was der erste Präsident wohl dazu gesagt hätte...).
Als nächstes empfing uns, eingebettet in einen wunderschönen Park, einer der Glanzpunkte des Tages: das Belvoir! Von Eschers Vater in der dazumal noch ländlichen Gemeinde Enge als permanenter Wohnsitz errichtet – ein demonstrativeres Wegrücken vom ungeliebten städtischen Geldadel und Patriziat lässt sich kaum denken. Welch zauberhafte Pracht, „klotzen, nicht kleckern“ – aber mit Verstand und sicherem Stil! Kaum vorstellbar, dass gerade hier, in dieser Idylle, Escher vom Schicksal eingeholt wurde! Der Referent erweckte in einer selten anzutreffenden Brillanz des Vortrags die Geschichte von Eschers Aufstieg und Fall zu einem lebendigen Schauspiel. Eine einzigartige Existenz breitete sich da vor uns aus; etwas Fremdes, ja fast antik titanisch zu Nennendes. Als hätten die Generationen vor ihm unbewusst nur darauf hingewirkt, in ihr die Vollendung ihrer Ideale zu erschaffen. Gleichsam der Unerbittlichkeit einer antiken Tragödie entsprechend das Ende: krank, verkannt, vereinsamt und wohl zutiefst verbittert durchlebte der Hausherr hier seine letzte Lebensphase. Zum Abschluss des Vortrags ein nachdenklicher Blick vom Balkon. Die einstigen Bewohner genossen von hier ein traumhaftes Panorama der fernen Berge und des Sees, heute verdecken prächtige, hohe Bäume die einmalige Aussicht und (gnädigerweise) den Anblick der Beton gewordenen Vision einer bedingungslos zukunftsgläubigen Epoche. Ein bestens mundendes Mittagessen im noblen Salon ging nur zu schnell vorüber; das Diskussionsthema war gegeben.
Per Bus wurden wir zur ETH chauffiert, einem Schwerpunkt unserer Exkursion und von Eschers Leben. In den Bibliotheks- und Archivräumen wurden wir durch die bestens versierten Herren Rudolf Mumenthaler, Michael Gasser und Christian Huber mit der Entstehungsgeschichte ihrer Institution wort- und bildreich vertraut gemacht.
Anhand zahlreicher, extra für den Historischen Verein aussagekräftig zusammengestellter Originaldokumente, Pläne und Fotografien konnte man sich ein höchst lebendiges Bild der Gründungsturbulenzen der ETH machen. Die Phasen des Wachstums, vom relativ bescheidenen Anfang bis zur heutigen Weltgeltung, konnten anhand der hervorragenden Unterlagen und Beiträge der Gruppenführer wie im Zeitraffer nachvollzogen werden. Nachhaltig beeindruckt versammelte sich die Teilnehmerschar im Anschluss auf der Aussichtsterrasse, bereit zur Talfahrt mit dem guten alten Polybähnli – welches dann allerdings, da Samstag, nicht in Betrieb war. Es fanden sich aber trotzdem alle unversehrt am Ziel, dem HB ein, denn der afternoon-coffee war angekündigt. In der Haupthalle, dort wo bis kurz vor der Landi 39 noch fauchende Züge ihre Fracht entluden, befanden sich anno dazumal die Wartsäle Ier–IIIer Klasse. In „modernen“ Zeiten, wo ja niemand mehr Zeit zum Warten hat, wurden diese umgewandelt in Läden und Restaurants mit und ohne Klasse, in einem mit hielt man eine Tasse lang Rast, gespannt auf das Finale des Ausflugs.
Dieses hob nun an in der Person von Dr. Rudolf Röttinger, einem wahren Cicerone. Vom Denkmal auf dem Vorplatz bis tief in die Unterwelt des permanent sich im Umbau befindenden „Bahnhofs für morgen“ führte er seiner Gruppe mit Bravour vor Augen, wie die drei tragenden Säulen von Eschers Vision, nämlich das Wissen der Hochschule, die Ankurbelung der Wirtschaft durch den Bahnverkehr und das Kapital der Banken, an diesem Orte in eindringlicher Ausprägung zur Realität wurden. Von den Rolltreppen wieder in die Oberwelt zurückbefördert, wurden wir von drei leitenden SBB-Angestellten empfangen. Diese standen bereit, uns hinter die Kulissen, in die Hirnregionen dieses technischen Wunderwerkes, zu geleiten: in die Betriebsleitzentrale und in das Zentralstellwerk. In diesen mit modernster (aber scheint’s schon wieder veralteter) Elektronik, blinkenden Anzeigetafeln und leuchtenden Monitoren vollgestopften Räumen erhielten wir Staunenden detaillierten Einblick in die äusserst komplexen und durchreglementierten Betriebsabläufe eines solchen Riesenbetriebes. Zunehmend dichteres Verkehrsaufkommen und steigende Passagierzahlen erfordern hier von jedem allerhöchste Konzentration und vorausschauendes Mitdenken. Nach angeregter Diskussion verabschiedeten wir die ausgezeichneten Gruppenleiter mit Präsent und Applaus ins verdiente Wochenende.
Mit Informationen zum Thema bis nahe an die geistige Sättigungsgrenze versehen, machte männiglich sich auf, im nun schon wohl vertrauten ehemaligen Wartsaal den Magen dieselbe physisch erreichen zu lassen. Es gelang!
In der Halle ein letztes „Merci“ dem bunten Engel für gewährten Schutz und Schirm, und schon hiess es „heimwärts rollen wir, auf Eschers altem Nordostbahn-Trassee“. Ein guter, schöner Tag war’s!
Diese Exkursion war wiederum hervorragend organisiert, was durchaus auch seine Gefahren birgt: Man könnte sich nämlich daran gewöhnen….! Für Karin Bauer war es das Gesellenstück und für Esther Bächer die Abschiedsgala – ihnen beiden gebührt ein herzliches Dankeschön und grosses Kompliment. Châpeau!
01.09.2007
Die von Esther Bächer und Jürg Schmutz organisierte und geleitete Exkursion ins Berner Oberland wurde für alle Beteiligten zum unvergesslichen Erlebnis. Die reiselustige Schar konnte pünktlich um 7 Uhr in Frauenfeld starten, und da es auf der Autobahn ganz flott voranging, wuchs die Wahrscheinlichkeit, die erste Klippe eines jeden ersten Vereinsreisetags, die Kaffeepause, elegant zu nehmen: wieder einmal im Bären im schmucken Ersigen, wo an diesem Morgen auch an die zwanzig Glückssauen gute Weiterfahrt wünschten. Die endete zunächst in Brienz, wo Jürg Schmutz fachkundig durch den langgezogenen Ort führte und namentlich auf die Geigenbau- und die Schnitzerschule hinwies. Schon begann sich auch das Wetter von seiner besten Seite zu zeigen. Und auch die kurze Verschiebung ins Hotel Brienz und die dortige Verpflegung gingen bestens über die Bühne, so dass man um 14 Uhr das Schiff Richtung Giessbach besteigen konnte. Jetzt war reines Postkartenwetter und Schulreise pur: zuerst das Schiff, dann das Standseilbähnchen. Diese Ausblicke vom Hotel Giessbach aus! Und dann auch diese Einblicke in die Belle Epoque, da stak man, trotz moderner Freizeitbekleidung, einen Moment lang im Smoking – um allerdings, als man die Halle und den Speisesaal und das Billardzimmer verliess, um auf der Rückseite des Hotels in einen andern Flügel zu wechseln, sich gleich als Domestik zu fühlen. Man hätte durchaus noch eine Weile im Garten sitzen mögen, wenn nicht plötzlich ein kalter Wind aufgekommen wäre, im übrigen aber auch die Reiseleitung dazu gedrängt hätte, wieder ins Bähnchen einzusteigen und zur Schifflände hinunterzugleiten. Dort ging der Traum weiter: ein Raddampfer, auf dem Jung und Alt fasziniert in den Maschinenraum hinuntersah und die wunderbare Landschaft durchaus einmal eine Zeitlang faszinierende Landschaft bleiben liess. Nur schade, dass allzu schnell Iseltwald erreicht war, wo der Bus wartete, um die bereits mit vielen Eindrücken beschenkte Reisegesellschaft nach Grindelwald hinaufzuführen. Dort durften die Hotelzimmer nur provisorisch bezogen werden, denn der Marschbefehl lag bereits vor. Allerdings ein schöner Marsch, war Hans Egger, wenn man ihn auch nicht immer ganz oder nicht auf Anhieb verstand, doch schlicht brillant! Wie da einer immer am Reisethema blieb und doch laufend virtuos abschweifte und die Gesellschaft mit schönen Anekdoten bediente – so müsste man es selber können. Auch sein Kollege Samuel Michel im Ortsmuseum machte seine Sache auf eine sympathische Art und Weise gut, und jedenfalls konnte man ihm nicht vorwerfen, ihn nicht zu hören. So gingen die Gruppen denn beglückt zum Abendessen ins Hotel Schönegg. Zwischen Dessert und Kaffee gab Esther Bächer einen perfekten Überblick über die Berner Oberländer Tourismusgeschichte; so konnte man den Tag Revue passieren lassen und sich auf den folgenden herzlich freuen – was einzelne auf ihre eigene Art taten …
Und wie dieser zweite Tag vonstatten ging! Für den Schreibenden zunächst mit der Feststellung, verschlafen und nur noch zehn Minuten bis zur Abfahrt zur Verfügung zu haben, wobei ihm schon eine halbe Minute später die Dusche einen fatalen Streich spielte. Doch auch er war rechtzeitig im Bus und auf der Bahn Richtung Kleine Scheidegg und genoss die zunehmend faszinierender werdende Aussicht. Und erst das Hotel des Alpes, wo die spontane Nicole Schäpper Salon und Esssaal und Büro und Zimmer zeigte. Abgesehen von der Bar. Diese Bar! Also ist es nicht das letzte Mal gewesen, dass man auf der Kleinen Scheidegg war … Obwohl es da weder Radio noch Fernseher noch die Erlaubnis gibt zu rauchen. Dafür die Möglichkeit, nach oben zu staunen. Und das taten die Thurgauerinnen und Thurgauer denn auch: Eiger, Mönch und Jungfrau (während sich eine Teilnehmerin darüber wunderte, dass niemand, aber auch niemand, auch der Schreibende nicht, das danebenstehende Silberhorn zu benennen, geschweige denn zu würdigen wusste). Trotzdem hat alles ein Ende, z. B. weil das Züglein dasteht und sagt: „Einsteigen.“ Also steigt man ein und gähnt ab und zu, um, wenn man, nach schönster Fahrt, unten angekommen ist, auch noch zu hören, was dort gesagt wird, nämlich, kaum ist man ausgestiegen: „Einsteigen bitte.“ Also steigt man halt wieder ein und fährt zum Staubbachfall. Und dann steigt man auch noch hoch und weiss zunächst gar nicht warum. Denn das ist doch bloss ein schmales Bächlein, das sich da über die Felswand stürzt. Aber wenn man dann plötzlich hinter der Wasserwolke steht, weiss man, warum man da heraufgehastet ist. Dann geht man wieder hinunter und steigt in den Bus ein, der die Gesellschaft nach Interlaken fährt, wo Jürg Schmutz vor der Gewaltswiese die Entstehung von Interlaken skizziert. Nun hatte man noch Zeit, etwas auf dem Höheweg zu schlendern, bevor im Hotel Royal St. Georges das Mittagessen gereicht wurde: in diesem grossen Saal, dessen Akustik so gerissen ist, dass man auch, wenn er vollbesetzt ist, das Gegenüber problemlos hören kann. Nach dem Essen berichtete Hoteleigentümerin und -direktorin Marianne Kurzen über die Geschichte ihres Hauses und öffnete es nachher auch in den oberen Etagen für die gwundrigen Reiseteilnehmerinnen und Reiseteilnehmer. Auch hier, wie überall, wurde die Reisegruppe offen und herzlich empfangen und über die Highlights des Hauses ebenso ins Bild gesetzt wie über die Sorgen und Nöte.
Nun ging es wieder gen Osten, zunächst zwar etwas verzögert durch einen Stau auf der Autobahn. Aber wäre man früher wieder in Ersigen gewesen, wo die Schweine über Sonntag übrigens aus dem Ortsbild entfernt worden waren, wäre man dort nur noch etwas ratloser vor dem Salatteller gehockt. Auch so schien sich zunächst Ratlosigkeit breit zu machen: Wohin, um Himmels Willen denn mit dieser Berner Portion? Aber mit dem Essen kommt der Appetit … Und so ging die Rückfahrt in den Thurgau denn traditionell still vonstatten. Dort langte um 19.30 Uhr eine glückliche Reisegesellschaft an. Der mit Bravorufen, Gejohle und Füssestampfen durchsetzte Applaus für die Reiseleiter hatte übrigens noch in Ersigen stattgefunden.