Historischer Verein des Kantons Thurgau

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Zweitägige Exkursion 2022 nach Passugg, Disentis und Chur

03.09.2022

35 Vereinsmitglieder und die Organisatoren der Exkursion, Adrian Oettli und Philipp Sauter, machten sich am Samstag, den 3. September, mit dem Car durchs Thurtal auf den Weg Richtung Bündnerland. Chur wurde links liegengelassen und vorbei ging es auch an den Passugger Mineralquellen, wo das früher als «Araschger Wasser» bezeichnete Mineralwasser in Flaschen abgefüllt wird. Das Ziel war das ehemalige Kurhaus. 
1863 entstand das erste Trinkhaus in der Rabiosaschlucht, zwanzig Jahre später das Kurhaus, wo seit 1988 die 1966 gegründete Hotelfachschule untergebracht ist. Seit 2013 ist sie als «Campus Passugg» Teil der «École hôtelière de Lausanne». 


Nach der obligaten Kaffee-Gipfeli-Pause wurde die eine Hälfte der Vereinsmitglieder von der Receptionistin Sieglinde Kreiner über den Campus geführt. Neben einem Einblick in die einzelnen Häuser und die verschiedenen Restaurants, berichtete die Dame, dass ihre Aufgabe weit mehr als die Arbeit an der Reception umfasse. So komme ihr zuweilen die Aufgabe als «Haus-Mami» zu, das nicht nur bei Liebeskummer tröstet, sondern gleichzeitig scharf darüber wacht, dass das Rauchverbot strikte eingehalten wird, um das mit Stroh gedämmte Haus nicht unnötigen Gefahren auszusetzen.
Die andere Hälfte der Thurgauer:innen fand den Weg ins Weinzimmer. Umgeben von (leeren) Weinflaschen, wo die Lernenden der Hotel-Kommunikationsausbildung, einer Grundausbildung im Hotelfach, oder die Studierenden der Höheren Fachschule in die Geheimnisse des Weins eingeführt werden, erfuhren wir von Claudia Schmid, dass es seit 1839 eine Schule in Araschg-Passugg gibt. Während diese Volksschule noch in der Stube eines Privathauses untergebracht war, wurde bald ein erstes Schulhaus erbaut, das später als Tagesschule geführt und schliesslich von der Hotelfachschule übernommen wurde. In den heute als «Bachelor Village» bezeichneten Gebäuden bietet die «École hôtelière de Lausanne» den Bachelor-Lehrgang «Science in International Hospitality Management» an. 


Die gleichzeitig nationalen und internationalen Lehrgänge der Höheren Fachschule und des Bachelors werden auf Deutsch und Englisch angeboten. Dementsprechend stammen die Studierenden aus der Schweiz sowie aus dem Ausland, viele von ihnen aus Asien. Etwa zweihundert von ihnen leben auf dem Campus. 
Unter Anleitung servierten uns die Lernenden und Studierenden einen schmackhaften, schön angerichteten Zmittag und liessen uns Zeuge ihrer Ausbildung werden. 


Die anschliessende Carfahrt nach Disentis wurde vom aus dem bündnerischen Cazis stammenden Wahlthurgauer Pius Lang mit einigen Ausführungen über Graubünden und seine Bewohner:innen bereichert. 
In Kloster Disentis angekommen, nahm uns Pater Theo Theiler in Empfang, und nach seiner charmanten Mitteilung, wir seien seine x-te Führung an diesem Tag, fühlten wir uns so richtig willkommen. Auf recht eigenwillige Art führte er uns durch einen Teil des Klosters, die Kirche und die Schule und gab uns einen Einblick in die Benediktsregel, nach der die Mönche leben.
Um 700 errichtete der fränkische Mönch Sigisbert eine Zelle in der «Desertina», die etwa ein halbes Jahrhundert später zum Kloster wurde. Obwohl sich in der Benediktsregel keine Hinweise zum Thema Schule finden, wurde in Disentis im 13./14. Jahrhundert erstmals ein Lehrer / eine Schule erwähnt. Heute ist es eine privat geführte Mittelschule mit Internat, die seit den 1970er Jahren auch Mädchen aufnimmt. Die Verbindung von Kloster und Schule zeigt sich unter anderem darin, dass sechs der zwanzig Lehrer:innen Mönche sind oder dass der erste Schultag mit einem Eröffnungsgottesdienst beginnt und das Schuljahr im Juli mit einem Gottesdienst zum Kirchenfest des Heiligen Placi abgeschlossen wird. 
Im Kloster wird nicht nur die jahrhundertealte Bildungstradition hochgehalten, sondern auch die Gastfreundschaft, welche auch den Mitgliedern des Historischen Vereins zuteilwurde. In der Placi-Stube wurden zum Znacht Capuns serviert und es durfte in den neu renovierten Zimmern im Barockkloster oder im nahen Caminadahaus genächtigt werden. Wobei die Zimmer im letzteren wohl als Internat geplant wurden und bei der Schreibenden entsprechende Erinnerungen wachrief. 


Am Sonntagmorgen wurde für manch eine:n die lange Schlange vor der Kaffeemaschine zur Belastungsprobe, da der zweite Frühstücksraum unentdeckt blieb. Hungrig blieb jedoch niemand, sodass die gestärkten Thurgauer:innen den Weg mit dem Car nach Sedrun ins Heimatmuseum antreten konnten. Dort begrüsste uns Tarcisi Hendry mit einem musikalisch unterlegten und live kommentierten Film aus den 1930er Jahren, der einen Einblick in das Leben im Tal gab: Frauen mit Kopftuch – Fazolett; Schafscheide – Zählung der Schafe vor dem Alpaufzug; junge Geisshirten, die jeden Tag eineinhalb Stunden mit den Tieren morgens auf- und abends wieder abstiegen; Schweine, die täglich auf die Weide geführt wurden oder die Rückkehr der Schafe im Herbst, für die der ältere Schafthirt mit 15 oder 20 Rappen pro Schaf entlöhnt wurde; Prozessionen durch das Dorf. 
Im Anschluss an den Film gab es im liebevoll eingerichteten Museum viel zu entdecken, von Werkzeugen, Bildern, Kinderspielzeug, Einrichtungsgegenständen bis zur grossen Mineraliensammlung mit imposanten Bergkristallen. Für manch ein Vereinsmitglied war es eine Reise in die eigene Kindheit. 


Zurück in Chur, stärkten wir uns im Restaurant Drei Bünde mit Pizokels und Nusstorte für das letzte Bildungsangebot der Exkursion: durch Chur spazierend Rätoromanisch lernen. Mit einem kleinen «dicziunari rumantsch» in der Hand, folgten wir den Ausführungen der Führerin Alice Bertogg und des Führers David Flepp, die gekonnt die Sprache, die Geschichte des Rätoromanisch und Churs zusammenbrachten, sodass wir bald schon fliessend Sursilvan zählten – in, dus, treis, quater, … – oder mit «tsch-untschientschuncontatschun tschancs tschufs» (555 schmutzige Widder) den ersten Zungenbrecher beherrschten. Zum Abschluss bestellten wir nicht nur unser Zvierigetränk auf romanisch, sondern schrieben, bevor wir die Rückreise in den Thurgau antraten, gleich noch eine Postkarte mit unseren neuen Sprachkenntnissen: 
Cuera ei in bellezia marcau e tschintschar romontsch fa plascher. Cordials salids!


Karin Bauer

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