Historischer Verein des Kantons Thurgau

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Exkursion 2023 nach Biel

02.09.2023

Die Exkursion wurde von Adrian Oettli und Philipp Sauter organisiert. 


Für einmal traten die Mitglieder des Historischen Vereins die Exkursion mit dem Zug an. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es eine gemütliche Reise, auf der sie mit verschiedenen Mitreisenden ins Gespräch kamen. Den beiden Organisatoren Adrian Oettli und Philipp Sauter verlangte die Fahrt dagegen einiges an Nerven ab. Nicht nur, dass bis Biel nicht die ganze Reisegruppe gemeinsam reiste, sondern auch das Umsteigen war zu meistern, ohne dass jemand verloren ging. Schliesslich kamen alle in Biel an, wo es nach einem Spaziergang im Restaurant Joran am See Kaffee und Gipfeli gab. Wem dieser Ort bekannt vorkam – es ist ein Gebäude der Expo 02.
Mit etwas Verspätung traf Stadtwanderer Benedikt Loderer ein und begann sofort, noch ausser Atem, mit einem abgekürzten Rundgang. Im Hafen machte er den Anwesenden die Petersinsel als lohnendes Schwiegermutter-Ausflugsziel schmackhaft, da mit Schifffahrt, gutem Essen und einem Glas Chasselas alle glücklich würden. Der Blick der Vereinsmitglieder schweifte vom See an die Jurahöhen, wo die Autobahn A5 das Panorama dominiert. Sichtlich stolz verkündete Loderer, dass es in Biel ein Loch im schweizerischen Autobahnnetz gebe, da der Bau des quer durch die Stadt führenden Westastes durch die Opposition aus dem Volk gestoppt wurde. Nun bleibe nur noch die typisch schweizerische Lösung bei Problemen, das Vergraben.
Der Rundgang führte zu einem grossen, unbebauten Areal. «Bauerwartungsland» meinte Herr Loderer. Das ehemalige Expo-Gelände ist heute eingezäunt und wartet darauf, was weiter mit ihm geschehen wird. Es gehört der Stadt Biel, die das Gelände für die Expo gekauft hatte, liegt jedoch in der Gemeinde Nidau. Nachdem in den vergangenen Jahren Biel und Nidau sich gegenseitig mit unkoordinierten Überbauungsplänen in die Parade fuhren, wartet das Bauerwartungsland, an dem Ort, an dem einst Pfahlbauer lebten und später Telefonstangen hergestellt wurden, noch immer auf seine Bebauung.

Charmant lotste Benedikt Loderer die Vereinsmitglieder jeweils zur nächsten Station, konnte Interessantes zur Siedlungsentwicklung berichten und erwies dabei dem bilingualen Biel/Bienne alle Ehre. In den Anfangsjahren des Bundesstaates rauften sich die Kantone Bern, Neuenburg, Fribourg, Solothurn und Waadt zusammen und holten erstmals beim Bund Geld ab, um die Seen mit einem Kanalsystem zu verbinden. In diesem Zusammenhang wurde der Seespiegel des Bielersees um zwei Meter abgesenkt und das von den Grafen von Neuenburg erbaute Wasserschloss Nidau sass fortan auf dem Trockenen. Unweit des Bahnhofs steht eine ehemalige Fabrik, in der heute ein Shoppingcenter mit Parkhaus untergebracht ist. Laut Loderer einer der Orte, wo Kaufkraft abgeschöpft werde. Wer das mit der Kaufkraftabschöpfung verstanden habe, habe die Stadtplanung verstanden. Denn diese kümmere sich darum, wie die Autos in die Silos kämen, damit die Menschen einkaufen gehen könnten.
Im Bahnhof Biel, der zweimal umgezogen war, bis er am heutigen, dritten Standort steht, führte Benedikt Loderer die Thurgauer Reisegruppe in den Wartesaal, der mit Bildern von Philipp Robert ausgemalt ist. Sie tragen die Titel «Lebensstufen», «die Jahreszeiten», «der Stundentanz» sowie «Zeit und Ewigkeit» und liessen die Vereinsmitglieder andächtig in die Höhe blicken mit Gedanken zu den Bildern, der eigenen Lebenszeit, der Ewigkeit, … Dies können noch heute alle Reisenden tun, denn die unter Denkmalschutz gestellten Bilder kamen weder im Konzept «Bar» noch in einem Laden zur Geltung, sodass die SBB schliesslich entschied, dass der Wartesaal Wartesaal bleiben dürfe.
Die Stadtwanderung, auf der Benedikt Loderer die Vereinsmitglieder «von hinten» an Biel herangeführt hatte, endete am Guisanplatz mit dem Blick auf das «arbeitslose Tramhäuschen». Denn das Tram wurde in Biel 1946 abgeschafft. Danach spazierte die Gruppe zur Villa Lindenegg, die in einem wildromantischen Park etwas erhöht über der Stadt liegt und wo die historische Reiseschar mit einem feinen Zmittag verwöhnt wurde.


Nach der Mittagspause musste sich die Gruppe vom schattigen Plätzchen mit traumhaftem Garten losreissen und sich zum neuen Museum Biel begeben. Dort angekommen, wurde die grosse Schar in zwei handliche Gruppen aufgeteilt. Die Gruppen wurden separat durch die Ausstellungen geführt und bei Halbzeit Gruppenführerinnen und Ausstellungsräume getauscht.
Bernadette Fülscher führte durch die Räumlichkeiten des ehemaligen Museums Schwab. Bereits der imposante Bau vermochte das Interesse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu wecken. Die Ausstellung «Garten Eden und die Zukunftsstadt» war noch nicht eröffnet und so kam der Historische Verein in den Genuss einer Vorabführung, die umso interessanter war, als dass man einen Einblick in den Entwicklungsprozess einer Ausstellung erhielt. Die neue Ausstellung stellt das künstlerische Wirken von Philippe Robert dar, einem Maler, der im grünen Umland von Biel eine Gegenwelt zur rasch wachsenden Bieler Stadt suchte, fand und malte. Weitere Ausstellungschwerpunkte waren verschiedene Schritte und Aspekte der Entwicklung der «Zukunftsstadt» Biel; festgehalten in Aufnahmen des Bieler Fotografen Ernst Kuhn. Ein immer wiederkehrendes Motiv waren die drei Bahnhöfe von Biel.
In der zweiten Führung begleitete Bernadette Walter, Direktorin des NMB, die Gruppe an ein übergrosses Stadtmodell von Biel, welches durch geschicktes Lichtspiel verschiedenste Entwicklungen oder Aspekte der Bieler Stadttopografie darstellen konnte. Derart erleuchtet tauchten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschliessend in die Röstigraben-Ausstellung ein, welche sich dem grossen Thema der Zweisprachigkeit Biels widmete und dabei aufzeigte, wie herausfordernd und kompliziert diese Mehrsprachigkeit im Alltag sein kann und wie wenig selbstverständlich ein erfolgreiches Zusammenleben zweier Sprachgruppen in einer Stadt ist. Vor allem, wenn das Zusammenleben ein Miteinander und nicht nur ein Nebeneinander sein soll.
Mit vielfältigen Eindrücken fanden die beiden Gruppen im lauschigen Museumsgarten wieder zusammen, wo man sich rasch in kleinen Gruppen niederliess und ausgiebig das Gehörte vertiefte respektive auf Thurgauer Verhältnisse übertrug und diskutierte. Mit Kaffee und einem Kuchenbuffet verging die Zeit dabei wie Fluge, so dass die Reiseleitung schon bald zum Aufbruch drängte. Über den nun schon oft erwähnten dritten Bahnhof von Biel reiste man zurück in den Thurgau. Die zeitlich noch knapper bemessenen Umsteigeaktionen in Olten und Zürich verliefen wiederum problemlos, so dass abends alle ihren Heimatkanton erreichten.

Karin Bauer und Adrian Oettli

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