Historischer Verein des Kantons Thurgau

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Jubiläumsversammlung 2009 auf Schloss Gündelhart

15.08.2009 | 15.08.2009 00:00 Uhr bis
15.08.2009 00:00 Uhr

Die Jubiläumsjahresversammlung auf Schloss Gündelhart war zweifellos für alle 170 Teilnehmenden ein schönes, vielleicht sogar unvergessliches Erlebnis. Das Fest verlief, auch dank unglaublichen Wetterglücks, nahezu perfekt – x-fache Dankesworte, mündlich und schriftlich, von Vereinsmitgliedern bezeugen es, und selbst die Organisatorinnen und Organisatoren hatten am Abend des 15. August den Eindruck, da sei doch etwas Besonderes gelungen. Dass das Tüpfelchen auf dem i gleichwohl gefehlt hat – es ist nur einem aufgefallen.

Bereits um 10 Uhr trafen die ersten Gäste ein – zum Festanlass herausgeputzt wie Gündelhart selber, welches mit blauem Himmel, hochsommerlichen Temperaturen, Grün in allen Variationen und bewusst gesetzten Farbtupfern aufwartete. Und mit strahlenden Gesichtern: Sowohl der Vorstand und seine Helferinnen und Helfer als auch die Familie Engeler und ihre Helferinnen und Helfer waren bester Dinge: waren sich fast sicher, das das Grossunternehmen klappen würde. Alle hatten seit Monaten auf Risiko gespielt – und wurden nun aufs Schönste belohnt.

Nach und nach betraten die ankommenden Vereinsmitglieder durch eine grüne Pforte den sog. Obstgarten mit den zwei gigantischen Buchsbäumen, wo sie von „C’est si b.o.n.“, dem aus Uerenbohl stammenden Musikensemble mit Christina Janett und Barbara Gisler (Cello), Madlaina Janett (Viola), Nicolin Janett (Saxophon) und Curdin Janett (Bass und Akkordeon) begrüsst und von den Thurgauer Landfrauen sogleich mit Brot, Käse und Most gestärkt wurden. Es war ein lauschiges halbes Stündchen, das zur Verfügung stand, sich zu finden und zu begrüssen.

Dann wurde die Gesellschaft durch ein zweites grünes Pförtchen und unter die hohen Bäume des Schlossparks zu Bank gebeten, wo der Präsident Punkt 11 Uhr zu einer kurzen Begrüssung ansetzte, die in ihrer rührenden Umsichtigkeit (die selbst den Wasserhaushalt des menschlichen Körpers nicht ausliess) einige Heiterkeit auslöste, als Folge einer kurzen Denkpause (Blackout) Ehrenmitglied Margrit Früh jedoch kurzzeitig auch den Schweiss auf die Stirn trieb. Nachdem die ehemalige Präsidentin aber dahingehend beruhigt werden konnte, dass von ihr wider Erwarten nichts anderes erwartet würde als dass sie den Tag einfach geniesse, durfte der Präsident das Wort Regierungspräsident Dr. Claudius Graf-Schelling übergeben.

Graf überbrachte die Grüsse und Glückwünsche des Regierungsrates, war stolz darauf, selber der Gesellschaft seit Jahren anzugehören, verwies auf sein im Jahr 2006 vor dem Verein gehaltenes Referat „Zum politischen Umgang mit der Vergangenheit“ und ging, waghalsig, aber – wie der 29. November erweisen sollte – erfolgreich, zu dessen praktischer Anwendung über, indem er für die Reduktion der acht Bezirke auf deren fünf warb. Ohne es zu ahnen, trug er mit seinen Bemerkungen zu jener rhetorischen Geschlossenheit des Tages bei, die nicht nur den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sondern auch den Rednern aufzufallen begann, so dass selbst sie sich am Ende einbilden mochten, das alles hätten sie so geplant.

Kaum hatte der Vereinspräsident Graf die Rede verdankt, meldeten sich über die Verstärkeranlage vier Vereinsmitglieder zu Wort und berichteten in höchst amüsanten Statements aus früheren Vereinszeiten, von erinnerungswürdigen Begleiterscheinungen auf den Exkursionen des Vereins: Da fuhr man mit den Autos ziellos in der Gegend herum, kam notorisch zu spät, ging im Rückwärtsgang bis an die Grenze des kollektiven Absturzes und stand vor dem einzigen WC, das vorhanden war, Schlange. Was Annemarie Böhi, Verena Jacobi, Paul Pfaffhauser und Rolf Soland zum besten gaben, war so erheiternd, dass sich die Anwesenden die Bäuche hielten vor Lachen.

So konnte, als die Einlage zu Ende war, die Geschäftssitzung, die einfach abgehalten werden musste, problemlos als kleine Erholungspause aufgefasst werden, und dementsprechend schnell war alles abgetan: Die Vereinsmitglieder waren mit allem, was der Vorstand vorschlug, so klar einverstanden, dass man aus dem Staunen nicht mehr heraus kam.

Sozusagen als kleine Belohnung für Wohlverhalten entschädigten sie die Organisatoren mit weiteren Verlautbarungen der „Viererbande“, die nun über ihren Umgang mit den jährlich eintreffenden Bänden der Thurgauer Beiträge zur Geschichte – ein Entsorgungsproblem erster Güte – Zeugnis ablegten: wiederum schallendes Gelächter.

Schon wollte hierauf der Versammlungsleiter die Gesellschaft zum Festbankett bitten, als endlich auch Kantonsrat Arnold Schnyder (parteilos) eintraf und das Zepter übernahm. Mit seinem, mitunter auch zahntechnisch behinderten Versuch, die Grussbotschaft des kantonalen Parlaments zu überbringen, kam er freilich in der ihm zur Verfügung gestellten Zeit nicht zum Ziel, so dass ihm der Präsident für den späteren Nachmittag noch einmal ein Zeitfenster in Aussicht stellen durfte. Dem Publikum gefielen die vergeblichen Versuche Schnyders, zu seiner eigentlichen Mission vorzudringen, allerdings so gut, dass es, wie es schien, das in Aussicht stehende Mittagessen schlicht vergass. Kaum je hat man die Hintergründe der kantonalen Politik anhand eines konkreten Beispiels, des Traktandums nämlich, wie der Grosse Rat dem Historischen Vereins die Grussbotschaft zum Jubiläum überbringen wollte, so facettenreich vermittelt bekommen. Schon musste man fürchten, Festarzt Markus Oettli und seine Krankenschwester nicht wegen der Hitze einsetzen zu müssen, sondern weil Einzelne Anzeichen von Bauchkrämpfen zeigten, als Schnyder seinen Faden definitiv verlor und einen Festwettbewerb zu veranstalten begann. Der Vereinspräsident seinerseits begann bereits unruhig auf seinem Platz hin und her zu rutschen, als Schnyder eine neuerliche Kurskorrektur vornahm und die Gesellschaft plötzlich zum Essen einlud, also genau das tat, was André Salathé hätte tun wollen, aus Anstand – man fällt einem Vertreter des hohen Hauses ja nicht einfach ins Wort – aber nicht gewagt hatte.

Die Festgemeinschaft liess sich nun nicht zweimal bitten und war eine Minute später ob des Kalten Buffets, das ihrer wartete, perplex. So was hatte man in einem Verein, der achtzig Jahre lang nichts zu sich genommen, dann für Jahrzehnte einen Schübling zum höchsten aller Gefühle erhoben und schliesslich zu einem Salat- oder Fleischteller übergegangen war, nun doch nicht erwartet. Aber der Mensch gewöhnt sich schnell an das Schönere und Bessere und erklärt es zum Standard, und so wurde, was die Crew vom Restaurant Bahnhof in Berg unter der Oberleitung von Pia Engeler von Schloss Gündelhart und Karin Bauer vom Vereinsvorstand vorbereitet und prachtvoll aufgebaut hatte, estimiert. Derweil lief das Servierpersonal, darunter auch die Vorstandsmitglieder Heinz Bothien, Jakob Brüschweiler und Verena Rothenbühler sowie Martina Brüschweiler und Fabienne Salathé, die Töchter des historischen Quästis und des auch nicht jünger werdenden Präsis, zur Hochform auf und schenkte nach, wo nachgeschenkt werden musste. Selbst die kritische Phase einer jeder Vereinsveranstaltung, der schwarze Kaffee, wurde, nach einigem Schlingern freilich, mit Bravour gemeistert – und jedenfalls verliess die Festgesellschaft die Remise nach anderthalb Stunden höchst glücklich. Nicht nur hatte sie sich am Buffet gefreut und gütlich getan, auch die liebevoll dekorierten Tische und die von C’est si b.o.n. dezent vorgetragene Tafelmusik waren ihr nicht entgangen – soweit sie nicht mit Schnyders Wettbewerb befasst war.

Nun musste aber relativ militärisch durchgegriffen werden, um nicht den Schlendrian aufkommen zu lassen und die sechs Gruppen, die heimlich schon längst definiert worden waren, auch tatsächlich zusammenzubringen. Aber auch das gelang. Die Herren Richard und Dominic Engeler führten ihre Gruppen durch das Schloss und den Gutsbetrieb, Bettina Hedinger und Urs Fankhauser die ihrigen in und um die Siedlung Gündelhart; Hubert Frömelt zeigte und erklärte derweil seiner Gruppe die Landschaft und Martin Klauser der seinigen die Gärten von Schloss Gündelhart und den nahe gelegenen Friedhof. Zwar waren einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwas enttäuscht, dass sie sich unvermittelt im Gejät oder auf dem Friedhof und nicht im Schloss wiederfanden, aber hoffentlich sahen sie sich von dem, was auf die Führungen folgte, hinreichend entschädigt:

Wenn nicht durch die Festrede des Vereinspräsidenten – es hatte sich niemand sonst freiwillig gemeldet –, so wenigstens durch das phänomenale Dessertbuffet im Oberen Garten, wo unter den hohen Bäumen eine stimmungsvolle Tischordnung geschaffen worden war: alles weiss gedeckt und mit verschieden-farbigen Bändern und Servietten wundervoll geschmückt. Wieder hatte das im Hintergrund wirkende Team unter Pia Engeler und Karin Bauer ganze Arbeit geleistet. Abgesehen von dem, was die Frauenfelder Confiserie Hirt an Leckereien aufgebaut hatte: Es war ein Traum – ein Traum, der selbst eingefleischte Verächter von Süssigkeiten zum mehrmaligen Zugreifen brachte. Mit einer einzigen Ausnahme kamen auch alle Kaffeetassen ans Ziel; die eine verfehlte das ihrige zwar nur ganz knapp, aber für den Nachbar, der an und für sich schon einen Kaffee vor sich stehen hatte, entscheidend. Immerhin musste auch er nicht verarztet werden.

Das Bild, wie die Festgesellschaft als verschworene Gemeinschaft in diesem Garten sass: unbeschreiblich! Man mochte die Idylle kaum stören – und Kantonsrat Schnyder und der Vereinspräsident überlegten es sich denn auch hundertfach, ob sie sie stören und die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Anschneiden der Geburtstagstorte lenken sollten. Doch rafften sie sich dazu auf und schnitten sie an: zugunsten von Ehrenmitglied Margrit Früh und zugunsten von Helen Schaad, die seit 1936 Mitglied des Vereins ist. Nun sah man auch die Vereinsmitglieder anstehen und auch diese Torte noch probieren.

Natürlich behielt Kantonsrat Schnyder gleich das Wort und kam zur turbulent verlaufenden Auflösung des Wettbewerbs und zur Preisverteilung. Zirka die Hälfte der Anwesenden hatte die gesuchte Person, Johann Jakob Wehrli, entlarvt. Folglich mussten die Gewinner der drei Preise ausgelost werden. Schnyder forderte juristischen Beistand an, zu dem Richard Weber, Romanshorn, gerne bereit war. Er durfte sogar die Glücksfee selber bestimmen und erkor dazu, blauäugig, Kathrin Zürcher – nicht ahnend, dass er damit bereits jenen entscheidenden Fehler beging, der seine Reputation in Frage stellen sollte. Denn die Fee zog aus dem Topf doch tatsächlich jene Karte, die Webers Frau hineingeworfen hatte, und so musste Schnyder Weber mit der sofortigen Entlassung abstrafen. In einer Art Kollektivstrafe bekam sogar Webers Frau Marlene noch eins mit ab, denn der dritte Preis, die vier schweren Bände des thurgauischen Flurnamenbuchs, schienen ihr nicht nur physisch eine Belastung. Sofort sah sie sich deshalb nach etwaigen Interessenten um, aber diese Art von Last wollte ihr nun doch niemand abnehmen. So sah man das Ehepaar, das zu den treuen Mitgliedern des Historischen Vereins gehört, später gebückt über den Parkplatz gehen … Nachdem Weber durch Giacun Valaulta ersetzt worden war, konnte als Gewinner des zweiten Preises Christoph Möhl aus Uerenbohl ermittelt werden. Da Möhl bereits abgereist war, wollte seine Tochter den Preis entgegennehmen, erweckte bei Schnyder allerdings einiges Misstrauen, ob sie tatsächlich Möhls Tochter sei. Doch gab er, weil sie ihm schöne Augen machte, schliesslich nach. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wäre ruchbar geworden, dass Möhl einer der Stammväter von „C’est si b.o.n.“ ist – auch Valaulta hätte den Hut nehmen müssen ob dieser Vetterli-Wirtschaft. So aber zog die Fee die dritte und letzte Karte: diejenige Marianne Brauns aus Amriswil.

Nur war jetzt nicht klar, worin der erste Preis bestand. Um dahinter zu kommen, musste Marianne Braun zuerst mit einem Dart-Pfeil auf eine aufgespannte Thurgauer Wanderkarte zielen. Nach zwei misslungenen Versuchen, die beide den Kanton St. Gallen trafen, blieb der Pfeil endlich mitten im Thurgau stecken: bei Hefenhausen. Genau dorthin, mitten auf ein Feld nahe der Autobahn A 7, lud Schnyder die Schützin nun zu einem Abendessen ein. Braun dürfe ihrerseits drei Personen dazu bitten; sie würden zu Hause abgeholt und nach Hefenhausen geführt und dort von Verena Rothenbühler, André Salathé, Urban Stäheli und ihm, Schnyder, bewirtet: eine Gesellschaft zu acht also. Die Bemerkung Brauns – „Aah, än Grilloobig“ – wollte Schnyder jedoch überhört haben, man werde sehen.

Da man aufhören soll, wenn es am Schönsten ist, setzte nun der Vereinspräsident zu einem kurzen Dankes- und Schlusswort an, das unter Gelächter so endete: „Und jez hoff-i, es chömed ali guet ham. Und sie chöned, wenn’s diham gfrooget werded, wie’s gsii segi, säge: ‚Momoll, mer hand’s rechte g’haa.’“

Das Hefenhausener Picknick zu acht fand bei schönstem Sommerwetter übrigens am Abend des 8. September statt, und es gelang ungefähr so wie das Gündelharter Fest.

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