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Donnerstag, 23. Mai 2013: Hauptwil
Den Reigen eröffnete Ernest Menolfi am 23. Mai in Hauptwil. Bereits seit mehreren Jahren beschäftigt er sich mit der Geschichte des Dorfs (in keinem anderen Ort der Schweiz ist die frühe Industrialisierung im 17. und 18. Jahrhundert so sichtbar geblieben wie hier) und brachte an diesem nasskalten Maiabend sein Erkenntnisse den zahlreich angereisten Vereinsmitgliedern eloquent und humorvoll näher. Nach der Begrüssung im geheizten Turmzimmer beim Schloss Hauptwil führte er uns ins ehemalige Kaufhaus der Familie Gonzenbach. Die Geschichte dieses sorgfältig renovierten und mit wertvollsten Kunstwerken tapezierten Wohnhauses ist nicht genau bekannt. Wie Ernest Menolfi ausführte, wurde hier primär gearbeitet und nicht gewohnt. Während das Dachgeschoss als Kornlager diente, wurde in den unteren Räumen feine Leinwand produziert. Ganz erstaunlich sind Menolfis Erkenntnisse zum sog. ersten Arbeiterhaus der Schweiz. Das Gebäude war kein Wohnhaus, sondern eine Leinwandmanufaktur. Neben den Informationen zur Textilgeschichte durfte ein Exkurs zu den religiösen Irrungen und Wirrungen im Dorf nicht fehlen. Ernest Menolfi hat seine Carte blanche hervorragend genutzt – was wir in Hauptwil gesehen und gehört haben, war sensationell. Obwohl man gerne noch weiter zugehört hätte, labten sich die Geschichtsinteressierten angesichts der Kälte und des Regens ebenso gerne am anschliessenden Umtrunk und der Pizza im Restaurant Löwen.
Mittwoch, 29. Mai 2013: Tägerwilen
Einiges frühlingshafter war es am 29. Mai in Tägerwilen. Peter Giger, der die Ortsgeschichte von Tägerwilen mit einem Historikerteam zusammen erforscht hat, begrüsste uns vor der erhöht gelegenen reformierten Kirche – mit Blick zum Seerücken und zum Tägerwiler Wald. Auf acht und einer halben Statione eröffnete uns Peter Giger interessante Einblicke in das Leben der Dorfgemeinschaft im Mittelalter, die Geschichte der zahlreichen Mühlen, die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts und die wechselhafte Grenzgeschichte im Tägermoos. Dass der Ururenkel des umtriebigen Tägerwiler Bürgers und Regierungsrats Johann Konrad Egloff an diesem Abend als Besucher anwesend war, liess die Egloffsche Familiengeschichte auch noch in Fleisch und Blut erstehen. Besonders eindrücklich war der Spaziergang von der Kirche in den alten, am Bach gelegenen Dorfkern Tägerwilens. Nur die wenigsten von uns wussten, dass man abseits der Neubauquartiere und der Hauptstrasse das ursprüngliche Handwerker- und Bauerndorf noch entdecken kann. Allein der Gang durch diese dörfliche Idylle war die Reise wert. So lieblich wie der alte Dorfkern war das Wetter allerdings nicht. So konnten wir den Abend leider nicht im Biergarten ausklingen lassen. Schön war’s alleweil.
Donnerstag, 6. Juni 2013: Zezikon
Definitiv brach der Sommer 2013 am 6. Juni in Zezikon aus. Es war ein prächtiger Abend, an dem nicht nur der Historische Verein, sondern auch sämtliche Landwirte mit ihren Erntemaschinen unterwegs waren. Hans Matthey, Gemeindeammann und ehemaliger Sekundarlehrer, der vor Jahren eine Untersuchung über die von Landwirtschaft, Heimarbeit und Armut geprägte Geschichte Zezikons verfasst hatte, begrüsste uns am Ortseingang. Der Weg führte uns zuerst durch das Dorf mit den alten Mehrzweckbauernhäusern, die in wirtschaftlich guten Zeiten ausgebaut oder aufgestockt wurden, den zwei Wirtschaften, die sich gegenseitig die Kundschaft abjagten und einer Käserei, die in allen Thurgauer Bauerndörfern den (land-)wirtschaftlichen Aufschwung um 1900 markiert. Dass die Bevölkerung Zezikons nicht an Führungen gewohnt ist, zeigte sich an den Stubenvorhängen, die kurz zur Seite geschoben wurde. Eigentlich erstaunlich, denn eine solche Führung in die Tiefen des Thurgaus müsste Pflicht sein. Zu jedem Haus wusste Hans Matthey vieles über alt eingesessene Familien, Konkurse und langjährige Amtsträger zu berichten. Nach dem Weg durch den Rebberg, der heute ein Einfamilienhausquartier ist, erreichten wir den Hof Wildern. Von hier bot sich uns ein wunderbarer Blick über das frühsommerliche Lauchetal und darüber hinweg. Nicht weniger eindrücklich war der abschliessende Besuch bei Frau Füllemann im Restaurant Biene in Maltbach, wo wir diesen prächtigen Abend bei einem Saft und einem kalten Plättli ausklingen liessen.
Donnerstag, 13. Juni 2013: Gachnang
Das Wetter war dem Historischen Verein auch am letzten Zyklusabend vom 13. Juni in Gachnang hold. Hier wurden wir von Pfarrer Christian Herrmann begrüsst, der sein Pfarrdorf wie kein anderer kennt. Nach einem kurzen Gang zum Friedhof, auf dem wir allerlei über die bis in die jüngste Zeit andauernden Querelen zwischen Katholiken und Protestanten erfuhren, konnten wir es uns in der Kirche bequem machen. Christian Herrmann, der nicht Pfarrer, sondern auch ein begeisterter Archäologe und Ägyptologe ist, machte uns mit den komplizierten und wechselhaften Verhältnissen der Kirchengeschichte bekannt. Mit seinem Predigertalent gelang es ihm mühelos, die doch recht trockenen Fakten wie einen Krimi zu präsentieren. Leicht unterkühlt, konnten wir uns auf dem anschliessenden Gang zur Schlosskapelle aufwärmen. Gerne hätte man auch noch etwas mehr über die grosse Überbauung erfahren, die in nächster Zeit auf dem Areal der ehemaligen Mosterei Gachnang aus dem Boden gestampft wird. Doch die Zeit lief ab. Zu unserer Überraschung lud uns Christian Herrmann in seinen Partykeller im Pfarrhaus zu einem reichhaltigen Apéro ein, der von der evangelischen Kirchgemeinde gesponsert wurde. Beinahe etwas beschämt ob dieser Grosszügigkeit, liessen wir uns dann jedoch die vom Dorfmetzger gelieferten köstlichen kalten Platten und den ausgezeichneten Wein munden.
Verena Rothenbühler
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Der Zyklus hat stattgefunden.