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Den vierteiligen Zyklus organisierten Karin Bauer, Verena Rothenbühler und Urban Stäheli.
Ekkharthof, 2. Juni 2021
An diesem schönen Frühsommertag trafen sich 25 Vereinsmitglieder im Ekkharthof in Lengwil. Die Freude am Wiedersehen war den Anwesenden nach der langen, coronabedingten Veranstaltungspause förmlich anzusehen. Begrüsst wurden wir von Klaus Stickl, der viele Jahre im Ekkharthof tätig war und vor kurzem in den Ruhestand getreten ist.
Der 1974 eröffnete und bis heute nach anthroposophischen Grundsätzen geführte Ekkharthof bietet rund 200 Menschen mit Unterstützungsbedarf ein breit gefächertes Angebot an Ausbildungs-, Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten. Nach den ersten Informationen auf dem grossen Marktplatz nahm Klaus Stickl die Anwesenden mit auf einen kurzweiligen Rundgang durch die weitläufige Anlage mit Wohnheimen, Schule und Therapieräumen, einem Bauernhof und einer Gärtnerei sowie zahlreichen Werkstätten.
Die Gebäude aus der Gründungszeit wurden in den letzten Jahren sorgfältig saniert und strahlen eine helle, freundliche und einladende Atmosphäre aus. Diese Öffnung nach aussen spiegelt sich nicht nur in der Architektur, sondern zeigt sich auch in der Produktion. In den verschiedenen Werkstätten werden innovative und qualitative hochstehende Produkte für den Schweizer Bio-Einzelhandel hergestellt. Das Angebot reicht von Dinkel-Guetzli, über Quittenpästli bis zu Brotaufstrichen aus verschiedenen Naturprodukten. Die nach biologisch-dynamischen Grundsätzen produzierten Milchprodukte, Gemüsesorten, Heil-, Gewürz- und Frischkräuter runden die grosse Produktepalette des Ekkharthofs ab.
Wie Klaus Stickl ausführte, finden vor allem in der Gärtnerei, die seit Anfang der Institution besteht, viele Bewohnerinnen und Bewohner eine attraktive und passende Beschäftigung.
Der anregende und informative Rundgang endete auf der Terrasse der 2020 eröffneten «Cantina», wo die Vereinsmitglieder den Rundblick über den See geniessen konnten und den Abend bei leckeren Brötchen und erfrischenden Getränken ausklingen liessen.
Museum für Archäologie, 9. Juni 2021
Für den kulinarischen Rundgang mit Urs Leuzinger durch das Archäologiemuseum pickte der Museumsleiter gezielt passende Ausstellungsstücke aus der Jungsteinzeit und der Römerzeit heraus und führte davon ausgehend unterhaltsam und souverän durch das Thema Essen in der frühen Menschheitsgeschichte.
Dabei verband Leuzinger die grossen Entwicklungsschritte mit den Dingen des Alltags, die Tücken des Sesshaftwerdens mit der arbeitsteiligen Verarbeitung und Zubereitung von Lebensmitteln. Was die Bewohnerinnen und Bewohner der 4 bis 8 Meter grossen Häuser einer jungsteinzeitlichen Ufersiedlung zu essen bekamen, konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch selber ausprobieren. Auf einem Degustationstisch gab es Felchenfilet auf Vollkornbrot, Haselnüsse, gedörrte Apfelringe und Beeren zu probieren.
Ganz anders sah der Degustationstisch zur Römerzeit aus. Während die Menschen in der Jungsteinzeit getreu dem Motto "Aus der Region, für die Region" assen, konnten die Römer in Eschenz auch Austern verspeisen – das war machbar und wurde gemacht, sofern man es sich leisten konnte. War diese Voraussetzung erfüllt, gab es kaum etwas, was nicht hergeschafft werden konnte – ohne Flugzeuge, Lastwagen und die Eisenbahn notabene. Bei einem Glas Wein aus der Bündner Herrschaft und einem Roggen-Dinkel-Brot mit Moretum-Aufstrich nach einem Rezept von Vergil konnten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dann selber ein wenig wie reiche Römer fühlen.
FrauenArchiv im Staatsarchiv, 16. Juni 2021
Diesen Abend dominierten die Frauen: Verena Rothenbühler, Julia Kühni und Nathalie Kolb präsentierten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein paar Happen Kochgeschichte aus dem Thurgauer FrauenArchiv. Kochbücher natürlich, aber auch Bilder von Haushaltungsschulen und Hefte mit Kostenkontrollen für die Haushaltführung zeigen, wie solide die Ausbildung zur Hausfrau seit dem 19. Jahrhundert und bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Koch- und Ratgeberbücher für die Haushaltführung, wie zum Beispiel "Das fleissige Hausmütterchen", erlebten nicht selten unzählige Auflagen und eine grosse Verbreitung.
Die Archivalien stammen von Frauen, deren Hinterlassenschaften mehr oder weniger zufällig den Weg ins Archiv gefunden haben. Ein Glück, wie sich zeigte, wenn Julia Kühni die Ausgabenkontrolle von Ruth Ammann-Maibach aus Oberaach als Beleg für einen nicht mehr vom Mangel der Kriegsjahre dominierten Menüplan in den 1950er Jahre interpretierte (Stichwort: Fressjahre); oder wenn Verena Rothenbühler die Lust der Männer auf Tabak und jene der Frauen auf Gebäck anhand einer Abrechnung für ein Leichenmahl einer wohlhabenden Witwe nachwies. Im Unterschied zur lückenlosen Ausgabenkontrolle der Frauen musste Nathalie Kolb Lücken in deren Biografien stehen lassen, weil es schlicht und einfach nicht genügend Quellen für eine vollständige Biografie vieler Frauen gibt.
Wie schon an den vorangegangenen Veranstaltungen blieb es auch an diesem Abend nicht bei der theoretischen Beschäftigung mit dem Essen. Im Anschluss an die Präsentation lockten die Organisatorinnen die wie immer interessierte Besucherschar mit einem grossartigen italienischen Apéro weg von den Archivalien und hinaus in den Innenhof des Staatsarchivs.
Vinorama Ermatingen, 22. Juni 2021
Dass es im Thurgau immer wieder Neues zu entdecken gibt, machte den Zyklusbesucherinnen und -besucher der Abend in Ermatingen deutlich. Im lauschigen Innenhof des Vinoramas Ermatingen wurden wir von Karin Peter, Esskulturhistorikerin, und Gérard Seiterle, ehemaliger Präsident der Stiftung Vinorama Ermatingen, begrüsst. Die historische Anlage mit dem Wohnhaus Phönix, der Remise und dem Rosenpark gehörte einst der Familie Ammann, die es mit Weinbau und Weinhandel zu etwas gebracht hatte. 1997 schenkten die Chemikerin Dr. Margit Kobelt und ihre Schwestern der Gemeinde Ermatingen ihren Familienbesitz. Nach ihrem Tod im Jahr 2000 sicherte das respektable Vermögen, das in die gleichzeitig gegründete Stiftung Vinorama Museum Ermatingen floss, den Umbau und die Renovation der Anlage, die in mehreren Etappen von 2002 bis 2011 erfolgte.
Auf dem Rundgang durch das Wohnhaus Phönix, das einer Dauerausstellung zum Thema "Wohnen um 1900" gewidmet ist, gaben Karin Peter und Gérard Seiterle interessante Einblicke in die Restaurierung und Einrichtung des Wohnmuseums. Die einzelnen Zimmer, deren Ausstattung auch mit Hilfe von Fotografien rekonstruiert werden konnte, vermitteln einen lebendigen Eindruck des Familienlebens der Ammanns um 1900. So hätte es uns gar nicht erstaunt, wenn ein Dienstmädchen auf dem Flur vorbeigehuscht wäre oder wenn wir den Patron im Lehnstuhl beim Fenster bei der Zeitungslektüre überrascht hätten.
Im Haus der Familie Ammann wurde jedoch nicht nur gewohnt, sondern auch geschäftet. Im sorgfältig restaurierten Gewölbekeller, in dem heute kulturelle Veranstaltungen und Anlässe stattfinden, wurden früher die Weinfässer fachgerecht gelagert.
Die Remise, die einst als Pferdestall und Wagenunterstand diente, beherbergt das Vinorama, eine Ausstellung rund um die Geschichte des Weinbaus am Bodensee. Karin Peter erzählte den Anwesenden, dass sich im Nachlass der Familie Ammann neben Möbeln auch viele Familiendokumente wie Fotografien, Briefe und Bücher befinden. Darunter auch eine grosse Sammlung von rund 700 historischen Kochbüchern und Rezeptheften, die wie die allermeisten Archivalien noch nicht erschlossen sind.
Nicht bei Habermus und saurem Most, sondern bei einem von der Gemeinde Ermatingen offerierten Apéro mit Käse, Wurst, gedörrten Birnenstücklein und einem spritzigen Glas Elbling beschliessen wir den diesjährigen Zyklus im lauschigen Rosenpark des Vinoramas.
Verena Rothenbühler und Urban Stäheli
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