Historischer Verein des Kantons Thurgau

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Zyklus 2023: Tour d'Horizon durch die Thurgauer Siedlungs- und Kulturlandschaft

Der Zyklus wurde von Laura Glöckler, Julia Kühni, Aline Ostergaard und Verena Rothenbühler organisiert. 


23. Mai 2023, Die Frauenfelder Architektin Susi Müller-Gehrig (1925–1981)
Zwei Inspirationsquellen dienten der Architektin Heidi Stoffel für ihren Vortrag über Susi Müller-Gehrig: Auf der einen Seite zeigte und interpretierte sie Bilder von Bauten ihrer Berufskollegin und auf der anderen Seite vermittelte sie mit Hilfe des Nachlasses einen Einblick in die Arbeitsweise der Architektin.
Im Vortrag entstand auf diese Weise das Porträt einer durchaus selbstbewussten Architektin, die sich nach dem Studium an der ETH Zürich ab 1951 in zwei Architekturbüros ihre Sporen abverdiente und 1959 ihr eigenes Büro gründete. Das architektonische Werk, das in der Folge entstand, umfasste neben dem Neubau verschiedener Einfamilienhäuser und kleinerer Bauten, wie etwa einem Garagenbau, auch die Renovation des Kehlhofs in Ermatingen. Bei ihren Projekten nutzte Susi Müller-Gehrig stets Begabung, Erfahrung und Kenntnisse gleichermassen, sie arbeitete genau und engagiert, bis sie mit allen Teilen ihres Entwurfs zufrieden war, was Heidi Stoffel am Beispiel verschiedener Skizzen, die für die Raumaufteilung in Müller-Gehrigs eigenem Haus in Frauenfeld überliefert sind, zeigte. Verschiedene Quellen belegen überdies, dass die Architektin nicht nur planerisch überzeugte, sondern auch im Umgang mit Bauherrn über ein geschicktes Händchen verfügte und wegen ihres Fachwissens als Expertin in Jurys berufen wurde. Offen muss leider bleiben, welche Bauten noch entstanden wären, wäre die Architektin Susi Müller-Gehrig nicht im Alter von nur gerade 56 Jahren 1981 verstorben. 


7. Juni 2023, Historische Spurensuche: Dörfer, Weiler und Einzelhöfe
Die weite Aussicht in die Landschaft, die sich den rund 20 interessierten Vereinsmitgliedern an diesem prächtigen Frühsommertag von Schönholzerswilen aus bot, führte direkt ins Thema des Zyklusabends. Den Spaziergang startete der Geograf und Raumplaner Hubert Frömelt, der anhand von Kartenausschnitten aus dem 19. Jahrhundert bis in die jüngste Zeit die Entwicklung der historisch gewachsenen Siedlungsstruktur des Kantons, die aus vielen Dörfern, Weilern und Einzelsiedlungen besteht, eindrücklich vor Augen. Hubert Frömelt zeigte etwa auf, wie sich mit dem Strassen- und Eisenbahnbau das Siedlungsgebiet um Amriswil und Romanshorn sehr stark veränderte, während sich Schönholzerswilen annährend noch so präsentiert wie vor 100 Jahren. Mit Blick auf die umliegenden Weiler und Einzelhöfe führte Andrea Näf-Clasen, die Leiterin des Amts für Raumplanung, das interessierte Publikum in die aktuelle kantonale Richtplanänderung «Kleinsiedlungen» ein. 2018 hatte der Bund den Thurgau aufgefordert, die rund 300 im Kanton bestehenden Kleinsiedlungen – raumplanerisch definiert als eine aus fünf bis zehn bewohnten Gebäuden zusammengesetzte Einheit – einer sachgerechten Zone zuzuweisen. Anschaulich schilderte Andrea Näf-Clasen die konkrete Umsetzung dieser Zonenzuweisung, die naturgemäss viel Sprengstoff enthält. In einem partizipativen und mehrstufigen Prozess, der die verschiedenen Interessengruppen einband und die Rückmeldungen der Öffentlichkeit berücksichtigte, sei es, so Andrea Näf-Clasen, gelungen, eine breit abgestützte und tragfähige Richtplanänderung zu erarbeiten. Diese wurde im Herbst 2022 vom Kanton und Anfang 2023 auch vom Bund genehmigt. 
Mit ihren interessanten und fachkundigen Ausführungen haben Hubert Frömelt und Andrea Näf-Clasen das Publikum in den Bann gezogen. Das Gebotene war so reichhaltig, dass einige Unentwegte anschliessend im Restaurant Schützenhaus bei Bier und Most noch eifrig bis zum Eindunkeln weiterdiskutierten.  


21. Juni 2023 Transitorisches Museum in Pfyn
Einiges an Erklärungen war nötig, um zu verstehen, weshalb dieses Museum ohne Museumsbau auskommt, welche Ideen dahinterstecken, was zu sehen ist und wo, doch das sind sich die beiden Köpfe des Transitorischen Museums gewohnt. Bereits bei der Eröffnung stellte sich die Frage: Wo ist das Museum? Und das ist immerhin schon 17 Jahre her.
Die Antworten von Reto Müller und Alex Meszmer sind zahlreiche Aktionen, Projekte und Veranstaltungen, die seit der Gründung unter dem Titel des Transitorischen Museums durchgeführt wurden. Dazu gehört auch das unter dem Namen "Zeitgarten" im Internet zu entdeckende digitale Museum, wo ein riesiger Fundus an Bildern, Filmen und Audioaufnahmen aufgerufen werden kann. Verglichen damit sind der Stationenweg und die Vitrinen in der Trotte überschaubar. 
Alex Meszmer gab den rund 20 Besucherinnen und Besuchern Einblicke in den internationalen Austausch und die lokalen Initiativen, er erzählte Geschichten vom spukenden Schulhaus und den konfessionellen Querelen im Pfarrhaus, vom Rätseln über den Verlauf der Mauer des römischen Kastells und wie ein Stück Säule seinen Weg in die Trotte nach Pfyn fand. Und dann überliess er es den Besucherinnen und Besuchern, ihren Interessen zu folgen, sich mit den Unterlagen und den Ausstellungsvitrinen zu beschäftigen, vielleicht auch nach Hause zu gehen und sich an diesem schwülwarmen Abend mit etwas Kühlendem und dem Laptop auf den Balkon zu setzen und sich im Zeitgarten zu verlieren. 


6. Juli 2023 Die Hafenstadt Romanshorn
Zum schönen Sommerabend passte der Spaziergang entlang des Hafens für die Fähr- und Kursschiffe, über den Schlosshügel und durch den Park beim alten Hafen wunderbar. Tina Arndt, ihres Zeichens Architektin und Mitglied des Baubeirates der Stadt Romanshorn, führte die rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an diesem Abend nicht nur durch die seenahen Gebiete Romanshorns, sie erklärte auch an drei Stationen, wie die Stadt ihre Entwicklung vorantreibt. So erfuhren die Mitglieder, wie die Hauptstrasse und das Bodangelände vom Bahnhof begrenzt werden wie von einem Prellbock, ihnen wurde gezeigt, wie auf einem ehemaligen Güter-Umschlagplatz mit architektonischen und gartenbaulichen Mitteln eine Promenade entstehen wird und schliesslich warf Tina Arndt vor der Baustelle der ehemaligen Firma Hydrel einen Blick in die Zukunft und erklärte die Gestalt einer um drei Innenhöfe geplanten Wohnanlage. 
Die Führerin versteht ihr Geschäft, verdeutlichte mit ihren Hinweisen viele Absichten und Ideen, zeigte aber auch die Grenzen des Einflusses, den die Stadt auf die von Privaten realisierten Bauprojekte nehmen kann, auf. Die zahlreichen Fragen der Teilnehmenden zeigten ihrerseits das Interesse an städtebaulichen Fragen, die an diesem Abend am Beispiel von Romanshorn zur Sprache kamen.


Verena Rothenbühler, Urban Stäheli

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